Deutsches Modedesign – Am Wendepunkt?
Text & Bilder: Boris Marberg
Gerade der Jahreswechsel ist in den Medien voll von mehr oder weniger sinnvollen Rückblicken, auf das was war, was betroffen gemacht hat, was geglückt ist, Sternlichter. Auch die Presse und Medien, die sich mit Mode beschäftigen sind und waren in den letzten Tagen und Wochen voll davon. Für uns ist der Jahreswechsel vielmehr eine gute Gelegenheit sich damit auseinander zu setzen, was kommen wird oder kann, wo Design steht, und was gerade auch in unserem engeren Blickfeld passiert.
Eine Frage, mit der man sich aber zuerst beschäftigen muss, ist die, von welchem Standpunkt, oder von welcher Perspektive sich man dem Thema nähern will. Dies setzt voraus, differenzierte auf die Medien zu schauen, die sich als „Mittler“ für Mode verstehen und Mode kommunizieren. Hierbei war eines der wichtigsten Themen der vergangenen Jahre die Auseinandersetzung mit Mode-Blogs und der Konkurrenzsituation zu tradierten Medien, wie gedruckten Fach- und Konsumentenzeitschriften. Oft wurde in der Vergangenheit postuliert, gedruckte Medien hätten keine Zukunft, die Zukunft werde vielmehr im Onlinebereich liegen, und hier insbesondere bei den jungen, progressiven und vor allem unabhängigen Modebloggern. Es mag sein, dass die Zukunft im Onlinebereich liegen wird, sicher aber nicht bei den Bloggern. Vielmehr wage ich es zu behaupten, dass vor allem der Modebranche in Deutschland das kommerzielle Bloggen bisher mehr geschadet als genutzt hat und vor allem für die Herausarbeitung und die Akzeptanz eigenständigem Deutschen Modedesign schadet. Ein Grund hierfür ist, dass es eine Mähr ist, Blogs seien unabhängig, objektiv und würden eine persönliche Meinung wiederspiegeln – gar zu einer gewissen Demokratisierung der Branche führen. Wer die Szene in den vergangenen zwei Jahren beobachtet hat, der hat feststellen können, dass der rasante Aufstieg einiger Blogger wesentlich davon getragen worden ist, dass etablierte Print-Medien sich eingekauft haben, um mit dem Medium zu experimentieren. Mit der Folge, besser mit der Konsequenz, dass die Protagonisten mittlerweile abgesprungen sind und in den Printbereich gewechselt haben. Auch das Argument Blogger seien gute Multiplikatoren für die Meinungsbildung kann wenig überzeugen. Zum einen erreichen Blogger in den seltensten Fällen die entscheidende Zielgruppe welche für eine Premium-Marke kaufkräftig einzuschätzen ist. Zum anderen fungieren Blogger sehr oft nur in der Funktion, vorgekautes Material von PR-Agenturen eins zu eins wiederzugeben. Eigener innovativer Inhalt, welcher sich auch aus künstlerischer Sicht und Reflektion mit zeitgenössischer Mode auseinander setzt findet sich fast nirgends.
Umso erstaunlicher ist es, das ein neues Postulat an „Deutscher Mode und Modedesign“ von einem wahren Urgestein in der Modepresse initiiert worden ist, der Deutschen Vogue und vor allem der langjährigen Chefredakteurin Christiane Arp, mit ihrem Projekt VOGUE Salon. In diesem Projekt werden sehr engagiert eine Reihe von Designern gefördert und bekannt gemacht, die nach Ansicht von Frau Arp herausragend für Modedesign aus Deutschland stehen. Darunter finden sich unter anderem die beiden Macherinnen von Augustin Teboul, Michael Sontag, René Storck oder Vladimir Karaleev. Frau Arp hat es verstanden eine Gruppe von jungen Designern unter ihre Fittiche zu nehmen, die eine Seite der Entwicklung von Modedesign in Deutschland wiederspiegeln, zuletzt kooperativ präsentiert auf den Zurich Fashion Days 2011, vergangenen November.
Auf der anderen Seite, und dies ist bis auf wenige Ausnahmen von den meisten Bloggern verschlafen worden, stehen Designer wie Patrick Mohr die sich ganz bewusst von dem Klischee einer geschlechtlichen Trennung und einer krankhaften Verherrlichung von Adoleszenz abwenden. Dies spiegelt auch sehr gut wieder, in welchem gesellschaftlichen Dilemma sich Deutschland befindet. Rundherum kriselt es und so langsam kommt auch die Panik hierzulande an, was zu einem anderen, rückbesinnenden Lebensgefühl führen kann. Bereits in vielen Kollektionen für Sommer 2012 haben wir bei Designern diese Elemente gesehen und dies wird sich auch weiter ausprägen. Hier sehr klare, dekonstruierte Entwürfe, die auf Understatement setzen, und in der sexuellen Provokation sich so gar nicht wiederfinden. Dort, Linien die weiterhin auf Prunk und Protz setzen (vor allem) Weiblichkeit in den Mittelpunkt rücken und das Männliche als Fokuspunkt für Mode negieren – kurz gesagt in tradierten Mustern gefangen sind – schön, aber nicht zeitgemäß.
Gerade in dieser Entwicklung liegt die Stärke von neuem Deutschen Modedesign in Abgrenzung zu anderen Spielern auf dem Feld. Skandinavien, welches in den letzten Jahren im Blickpunkt war und Akzente setzen konnte, rückt in den Hintergrund und die Bastionen Paris und Mailand sind geradezu erstarrt. Lediglich London kann als Standort einer Fashion Week immer wieder mit Innovationen auftrumpfen, Osteuropa ist im Kommen, Berlin sucht sich noch (da kommen wir gleich noch dazu) und New York betreibt seit Jahren Nabelschau.
Protagonisten des Deutschen Designs zeigten in den vergangenen Saisons überwiegend in Berlin. Auch wenn man nicht genau sagen kann ob Berlin nun eine Modemetropole ist (tendenziell nein) und ob sich hier etwas auch international relevantes entwickelt, so muss man doch anerkennend festhalten, dass Berlin für den Handel und die Präsentation mittlerweile in Deutschland an der Spitze angekommen ist. Düsseldorf verliert immer mehr an Boden, und in München kann man die Versuche schon gar nicht mehr abzählen, wie oft es schon nicht gelungen ist, selbst ein mehrtägiges Modeevent auf die Beine zu stellen. Andere Städte spielen abgesehen für lokale Hersteller keine Rolle in Deutschland.
Aus all diesen Punkten heraus leiten sich folgende Gesichtspunkte für eine Prognose ab, was sich in Sachen Modedesign – MADE IN GERMANY in den kommenden ein bis zwei Jahren abspielen könnte. Zum einen werden die Kollektionen deutlich bewusster mit dem Thema Gender umgehen. Es wird auch selbstverständlicher, dass Männermode in Deutschland abseits der Massenproduktion eine wichtigere Rolle spielen wird. Das Design wird kontrastreicher, schärfer in Konturen und leichter im Spiel mit Details. Die Details werden zu einem Spiel zur Unterstreichung des Individualismus. Dieser ist der einzige verbleibende Punkt bei einen Rückzugs ins Private. Die Spaßgesellschaft die nach Außen gerichtet ist wird verschwinden. Eine anstehende Krise in der Weltwirtschaft wird zu einer Bereinigung der Marken führen, und Chancen für kleinere Labels eröffnen und vor allem auch die großen Fashion Weeks mit ihren Luxusmarken erheblich umkrempeln – mehr als in den Jahren 2008 und 2009. Nachhaltigkeit wird immer mehr in den Vordergrund rücken und an Bedeutung gewinnen, geradezu essentiell werden.
Bilder der Protagonisten: Augustin Teboul, Michael Sontag, René Storck und Vladimir Karaleev auf den Zurich Fashion Days 2011