Afro-Design: Sich setzen, sich legen und träumen

Text: Gerhard Paproth

Bilder: Marcello Rubini

Von afrikanischen Designern hört man ja eher selten, umso weniger, wenn die Bezüge ihrer Gestaltung deutlich Bezug nehmen zu afrikanischer Kultur und Lebensalltag. Eine Ausstellung im Musée Dapper, Paris „Design en Afrique“ (bis 14. Juli 2013) hat sich dem Thema angenommen und zeigt verschiedene Designansätze, die einerseits mal mehr, mal weniger über die kulturspezifischen Nutzungsgrenzen hinausreichen, andererseits aber ästhetische und auch ideelle Statements bereitstellen, wie man das im Bereich der Bildenden Kunst oder der populären Musik längst kennt und zu genießen weiß.

Neben den formalen Gestaltungsmitteln, die man zum Beispiel aus der Bildenden Kunst und Ethnologie kennt, findet man bei diesen Sachen zwar viele westliche Designgedanken wieder, aber auf erfrischend andere Weise. Allein der Ökogedanke in Form von Recyclingstoffen wird nicht selten dem knappen Material geschuldet, weswegen man auf Schrott-, Fund und Wegwerfgegenstände zurückgreift, die dann auch oft noch erfrischende und gelegentlich humorvolle Inspirationen liefern – mit ihrer Geschichte (Lebensmittelverpackung), ihrer ursprünglichen Funktion (Ölrohr) und der veränderten Materialität (Rostspuren).

Der Gedanke der Funktionalität folgt zwar nicht immer westlichen Ergonomievorstellungen, aber die konkave Visualisierung des Gedankens des Sitzens ist oft elegant.

Ganz anders als in den Industriestaaten gilt die liebevolle Aufmerksamkeit noch dem Handwerk, dessen hochwertige Qualität und dessen individuelle Entstehungsprozesse eine bemerkenswerte Rolle spielen, sogar wenn größere Serien gefertigt werden.

Holz bleibt nach wie vor ein zentrales Material. Dies nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern auch weil es dem skulpturalen Denken am ehesten gerecht wird und weil es in seiner Originalität, Verfügbarkeit und Wärme viele Vorteile birgt.

Afro-Design: Sich setzen, sich legen und träumen

Inwiefern westliche Designer nicht nur ökologisch, sondern auch ästhetisch aus den kulturbezogenen und handwerklich gefertigten Stücken eine interessante Inspiration ziehen können, müssen wir nicht diskutieren, rückblickend sind wesentliche Aspekte des Art-Deco jedenfalls ohne diese Einflüsse aus Afrika gar nicht zu denken und gerade diese eleganzbetonte Epoche hat vorgeführt, wie reizvoll das europäisch-afrikanische Crossover gelingen kann.

Wenn also europäisches Design sich wieder mit sich selbst langweilt und seiner funktionsbetonten Gestaltungsprämissen überdrüssig wird, bei den afrikanischen Sachen kann es wieder Inspiration finden, die dem Nutzer Spass macht, die Materialität und selbstverständliche Ökologie nach vorn rückt – auch ohne die Funktion aus dem Auge zu verlieren.

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Die Bibliothek von Christian Ndong Menzamet und Antonio Pépin referiert gestalterisch auf „Ngil“ (und den zugehörigen Masken). Ngil sind frühere Geheimgesellschaften mit rechtssprecherischer Kraft, dort waren Wissen und Werte verankert. Gleichzeitig arbeitet die Herstellung des Möbels selbstbewusst mit modernen Thermotechniken und Laserschnitt.

Vincent Niamien wurde an der Elfenbeinküste geboren und hat mit seinem Sessel „Fauteuil Sie“ bereits 1996 einen renommierten Preis für afrikanisches Design errungen. Auch hier ist die Maske noch ein wesentliches Gestaltungselement in der Rückenlehne, die niedrige Sitzhöhe entspricht afrikanischen Gewohnheiten.

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Iviart Izamba mit seinem beräderten Sessel (2005), Alessandro Drabo mit seinem Fahrradsattelstuhl (2004) und Cheik Diallo mit dem Holzlederstuhl (2009) zeigen Beispiele der witzig-originellen Herangehensweise, die mit spielerischen Gedanken und Zitaten kulturelle Aspekte verknüpft und ästhetische Brüche zu reizvollen Einheiten verbindet. Aber was wir oberflächlich gesehen als Spaß erleben, hat auch ernste Seiten, denn auch hier spielen symbolische Bezüge eine Rolle – Leopardenfell steht für Macht und Respekt, der Rollstuhl gehört in ähnlicher Gestalt zum öffentlichen Leben Behinderter.

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Issa Diabathé (Elfenbeinküste) verzerrt seinen Stuhl „Chaise trop courte“ mit zu langen Beinen vorn und fehlenden hinten, womit das Sitzen eher unangenehm erscheint. Nicolas Sawalo Cissé (Senegal) dem gegenüber präsentiert mit seinem humoristischen Kindersessel (aus Recyclingmaterialien) einen Thron der Konsumartikel des täglichen Gebrauchs und damit die schöpferische Verankerung im Alltag.

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Aus recycelten Eisenrohren für Öl- und Wasserleitungen schweißt Ousmane Mbaye (Senegal) seine soliden Möbel zusammen. Aus einem betont ökonomischen und funktionalen Konzeptverbund in Verbindung mit afrikanischem Formsinn gewinnt er dabei eine sehr eigene, originelle, aber schlüssige Ästhetik.

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Sessel rechts: Produktionsbedingungen und -techniken sowie Materialknappheit sind Teil der Gestaltungs- und Herstellungskonzepte bei Balthazar Faye (Senegal). Auch bei Verwendung digitaler Entwurfs- und Herstellungsprozesse sucht der Designer die Einheit zwischen Entwurf, Material und handwerklicher Herstellung, aus der sich dann in Kooperationen die endgültige Gestalt des Objektes ergibt, die durchaus in der seriellen Produktion noch Unterschiede hervorbringt.

Sessel links und zwei Hocker: Der Architekt Cheick Diallo (siehe auch oben) aus Mali und Frankreich sucht ebenfalls und sehr experimentell die kombinierende Auseinandersetzung mit gefundenen Materialien, handwerklichen Methoden sowie Ergonomie und Ästhetik.  Die Verschränkung mit westlichen Vorstellungen fließt aber auch ein.

 

Die beiden Hocker von Jules Bertrand Wokam sind aus Edelhölzern, die von gestürzten und liegen gebliebenen Bäumen stammen (z.B. Iroko) und mit dem Schwung der Sitzschalen formal an die königlicher Thronsessel angelehnt sind.

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Kossi Assou (Togo, Elfenbeinküste) zeigt mit „Slim Bed“ und einer Kopfstütze (2009) ein ästhetisch sehr elegantes, reduziertes Design. Wesentlich ist ihm aber die ökologische Materialverwendung als Respekt gegenüber traditionellen Werten und eine Multifunktionalität seiner Gegenstände.

 

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Kopfstützen sind in der Ausstellung übrigens viele zu sehen, denn in der afrikanischen Kultur waren bzw. sind sie ein Element zivilisierten Ruhens (Abb. hier sind historische Objekte). Überhaupt ist bzw. war das Sitzmöbel in seiner Idealität ein königliches Privileg, wie schon eine Bilderausstellung mit wundervollen Fotos von Daniel Lainé im Vorraum variantenreich vorführt.

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