Showfloor Berlin – Mauerblümchen und Waschzettel
MBFW SS2015
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Boris Marberg
(redaktioneller Hinweis: Bilder zu dem Looks aus den Kollektionen im Text eingebunden)
Ursprünglich eine interessanter Einrichtung, weil sie Newcomern und Übersehenen eine Chance an reizvoller Location (Heeresbäckerei) bietet, erweist sich der Showfloor mittlerweile als ein Überraschungspaket auch mit vielen Enttäuschungen.
Geduldig besuchten wir eine Reihe von Shows, von denen es nicht wenigen an der entsprechenden Designersorgfalt fehlte. Angefangen mit einer Stammtruppe recht unerfahrener, blasser und steifer Models, die mit manchen Kollektionen und Outfits deutlich überfordert waren, zu großes oder ungeeignetes Schuhwerk tragen mussten, ungeeignete Unterwäsche mit herauslugendem Waschzettel unter transparentem Top trugen, schlechte Visagistik auf unbeweglichen Minen trugen und zum Teil auch nicht mit den Größen der Kollektionsteilen korrespondierten. Handwerkliche Schwächen im Schnitt, mangelnde Souveränität bei der Farbauswahl und ungeschickte Auswahl der zu präsentierenden Teile bei vielen Designern mögen vielleicht mit dem Bonus fehlender Erfahrung entschuldigt werden, das wollen wir aber nur dann, wenn die Kollektion ein gewisses Etwas zu bieten hat, das zukunftsträchtig oder einfach nur spannend angelegt ist.
Besonders der letzte Tag hatte dann auch schwindende Gäste- und Pressepräsenz.
An dem haben wir zum Beispiel extrem brave bis spießige Schauen gesehen wie die von OLEANA, angelehnt an Blutsgeschwister-Style, mit stets wiederkehrendem Blümchenmuster, manchmal etwas folklorisierend, Ton in Ton auf konventionellen Schnitten, aber mit Söckchen in glänzenden High Heels – Outfits für Mauerblümchen, die mal einen Clubbesuch mit der Freundin auf dem Land riskieren und garantiert unbeschadet wieder nach Hause kommen wollen.
IGUNN BIRKELAND setzte auf Schaueffekte mit farbigem, zum Teil leuchtendem Tüll, die nicht recht funktionieren wollten. Die teilweise banalen Schnitte saßen oft nicht gut – besonders bei Bewegung – es gab da aber Ausnahmen. Schön waren die Stoffe, die diagonal aus breiten Glanzstoffbändern farbig kontrastierend zusammengewebt waren, das wirkte an sich schon sehr frisch und lebendig und die entsprechenden Kollektionsteile waren in der Form auch passend angelegt. Als Idee sehr hübsch, aber das führt dann doch nicht weit.
Bei EPILOGUE sahen wir schöne und empfindliche Stoffe mit durchgehend sehr zurückhaltender Farbgebung (z.B. Flieder mit Weiß), aber leider funktionierten viele Schnitte nicht wirklich, ungeeignetes Schuhwerk und sich gelegentlich hart durchdrückende Unterwäsche ruinierten bedauerlicherweise den Effekt schlichter Zartheit.
MARIETTE aus Norwegen zeigte abschließend eine Kollektion, die sehr sexy war. Gute Clubwear. Die effektreichen Kontraste aus großen Flächen Türkis und Schwarz waren sehr wirkungsvoll gemacht und die Schnitte der körperbetonten Teile wirklich überzeugend. Besonders eindrucksvoll waren die betonten goldenen Reißverschlüsse auf den schwarzen Rückteilen und die eng geschnittenen Hosen und Röcke bzw. Kleider. Weniger überzeugend waren die erdfarbenen Outfits, die Ton-in-Ton angelegt waren und eher einer zurückgenommenen Herbstkollektion zu entstammen schienen. Viel Transparenz war zu sehen, sowohl bei pfiffigen Tops als auch bei weit wehenden Negligés, mit denen die meisten Modelle echt überfordert schienen. Hier stellte sich die Frage des „Was-trägt-man-darunter?“ oft drängend, sogar wenn offenkundig diese Teile mehr für den Hausgebrauch als für den öffentlichen Auftritt gedacht waren. Solche Kleidung bedarf halt guter und subtiler Überlegungen für eine gelungene Vorführung, was wir hier aber leider nicht erlebten.
Begeistert waren wir von der Schau von BLAEST by Lilleboe. Sie war ausschließlich auf das schwierige Thema Regenkleidung konzentriert. Alle Teile der Kollektion waren nicht nur einfallsreich und umfassend, sondern auch durchweg praktisch, pfiffig, jung und sehr optimistisch. Sehr gut im Alltag tragbar und rundum stimmig. Die Modelle führten außerdem die Kollektion gut gelaunt vor – eine Seltenheit bei Schauen in Berlin. Der farbenfrohe und gestalterisch ideenreiche Umgang mit Regenkleidung überzeugte bei jedem Teil dieser sorgfältig durchkonzipierten Kollektion: sogar die Gummistiefel waren reizvoll gemacht, die Schirme passten zu den Outfits, nützliche und zugleich gut aussehende Kopfbedeckungen wurden dafür gefertigt, leicht fallende, aber regenfeste Stoffe in frischer Farbgebung und pfiffig abgestimmte Muster verschafften gute Laune, die man danach mit in den Berliner Sommerregen nahm, der uns draußen dann tatsächlich erwartete.