Ein Interview mit dem Designerduo
Text, Bilder und Interview: Gerhard Paproth
Das Schmuckdesigner-Duo Räthel-Wolf wurde ein zweites Mal nach Hyères eingeladen, um nun die im vergangenen Jahr neu entwickelten Produkte vorzustellen und damit auch sichtbar zu machen, wie das Konzept der Nachwuchsförderung der Hyères-Veranstaltung konkrete Früchte trägt.
Das betrifft auch andere Designer, die zuvor in Hyères waren, dies Prinzip illustriert nicht nur sich selbst, sondern trägt die Förderung auch weiter. Dabei ist die Entwicklung der Designer in dieser „Startphase“ durchaus unterschiedlich gerichtet, wir berichteten ja schon, wie zum Beispiel Vanessa Schindler die Chance und den Preis zur experimentellen Entwicklung ihrer Materialien genutzt hat oder Botter-Herrebrugh sofort nach dem Wettbewerbssieg ihr Businesskonzept in Paris aufgebaut haben.
Wir sprachen mit Sari Räthel und Ricarda Wolf in Hyères über ihre Initiativen im vergangenen Jahr. Sie sind nach London gezogen, um sich dort zentral zu etablieren, leben aber nicht kontinuierlich an diesem Ort zusammen. Und – nicht gerade typisch fürs klassische Schmuckdesign-Gewerbe – sie suchen ein kreatives Umfeld eher in der rein künstlerischen Prägung, ohne die Ambition aufzugeben, sich gleichzeitig im Business fest zu etablieren. Balanceakte zwischen freier Kreativität und Geschäft, die von außen nicht ganz einfach erscheinen und die durchaus Teil einer jungen Orientierung sind, welche vorgegebene Fahrwasser des Vorankommens nicht mehr als zwingend auffasst, sondern neue Wege und Positionierungen erprobt. Auch die kreative Arbeit als homogenes Team zu begreifen und nicht als zufällig passende Addition individueller Richtungen, ist letztlich ein unkonventionelles Konzept im Schmuckdesign.
modacycle: Ein Jahr ist vergangen seitdem ihr hier schon anwesend wart, was hat es gebracht?
Räthel und Wolf: Einfach super viel. Zuerst mal gute Verbindungen zur französischen Modeszene, aber auch international, weil Hyères ein Magnet ist für alle, die in Fashion arbeiten. Die kommen hierher zu dem Festival. Das merkt man auf jeden Fall deutlich. Über Gespräche, die man führt, dann auch anhand der Kontakte im Nachhinein, also das ist schon toll.
modacycle: Hattet ihr jetzt einen speziellen Auftrag, konntet ihr im vergangenen Jahr etwas Konkretes arbeiten oder habt ihr weiter gemacht wie immer?
Räthel und Wolf: Wir haben weiter gemacht, sind ganz gut gewachsen und vorwärts gekommen. Es ist schwierig, weil wir ja erst 1 ½ Jahre alt sind, in der Phase wächst man eigentlich, es explodiert sogar wenn es gut läuft und wir sind ganz froh wie es läuft. Wir können nicht genau sagen ob das nur passiert ist wegen Hyères, aber ich glaube schon, dass die Credibility auch durch Hyères kam. Wir sind aber auch super aktiv: Wir zeigen auf der Pariser Fashionweek, wir haben eigene Events in London, wo wir mit anderen Künstlern kollaborieren, Veranstaltungen zu körperbezogener Kunst, was uns zu unserem körperbezogenen Schmuck inspiriert, kurz, durch die vielen Aktivitäten haben wir viel Interesse bekommen und auch Aufträge.
modacycle: Das Neuartige an eurem Schmuck hat zunächst den Körperbezug als Basis, Schmuck soll bestimmte Körperelemente akzentuieren, wie zum Beispiel durch die Art und Weise, wie der Fingernagel eingerahmt wird.
Räthel und Wolf: Genau, das ist richtig. Der Körper ist unsere Inspirationsquelle, wir designen immer direkt am Körper, „im Material“. Wir sind beide geschulte Goldschmiede (wir haben Schmuckdesign studiert), und ich glaube aus dem Prozess, mit Metall direkt am Körper zu arbeiten, finden wir andere Ergebnisse, andere Positionen am Körper wo der Schmuck getragen wird, als herkömmlich. Wie zum Beispiel diese Nagelringe (die wir von Anfang an dabei hatten), die den Nagel rahmen und auch das Gefühl der Intimität unter dem Nagel hervorheben, was man sonst eigentlich nicht so spüren würde. Oder eine kühles Objekt hinter dem Ohr: wie das Material sich an den Körper da anschmiegt, das sind einfach Sensationen die man, wenn man den Schmuck von einer Zeichnung her entwickelt, so nicht erreicht.
modacycle: Neu hinzu gekommen sind jetzt Steine.
Räthel und Wolf: Jetzt haben wir Edelsteine in unsere Kollektion eingebracht. Dadurch, dass wir immer nach neuen Wegen suchen, wie der Schmuck am Körper sitzt, ergibt sich nun auch die Aufgabe, wie der Stein mit dem Schmuckstück korrespondiert. Wir haben in Deutschland einen Produzenten gefunden, einen erfahrenen „prestigious Manufacturer“, der schneidet uns die Edelsteine von Hand im Sinne unseres Konzeptes und die fassen wir jetzt. Die werden aber nicht gefasst in dem Sinne wie man Diamanten fasst, sondern sie sind elementarer, integrativer Teil des Schmuckstückes und sitzen somit im Ohr oder um den Finger. Damit wird das bisher mit Metall entwickelte Konzept weitergetragen.
modacycle: Noch eine Frage zur gemeinsamen Arbeit: Ihr wohnt ja nicht am selben Ort. Wie macht man das dann praktisch? Macht die eine dies und die andere das, oder entwerft ihr die Stücke gemeinsam? Wie muss man sich das vorstellen, wenn die kreative Kommunikation über Entfernung stattfindet, gerade bei dieser Art von Konzept mit der Entwicklung am Körper?
Räthel und Wolf: Wir sind eigentlich an einem gemeinsamen Ort. Wir leben beide in London. Die Freiheit, individuell auch mal drei Wochen unabhängig an anderem Ort zu sein, nehmen wir uns aber auch. Generell sind wir zusammen in London und so wie das Business bis jetzt aufgestellt ist, designen wir alles zusammen. Die komplette kreative Vision ist von uns beiden, sie entsteht direkt und kommunikativ, auch wenn im täglichen Leben jeder seine spezifischen besonderen Fähigkeiten ins gemeinsame Entwickeln einbringt – die eine ist vielleicht spezialisierter auf die Social Media und die andere auf Webproduktion businessseitig. Dass aber die kreative Arbeit in der Kommunikation zwischen uns passiert, ist uns sehr wichtig und auch besonders.