POSITIONS Kunstmesse Berlin Tempelhof, Herbst 2021
Text und Bilder: Gerhard Paproth
Eine eigene Abteilung auf der wohl relevantesten Kunstmesse Berlins für Modedesigner ist, wie auch schon im letzten Jahr gestartet, ein einladendes Entgegenkommen der POSITIONS. Verschmolzen sind die Abteilungen noch nicht ganz und die Mode fügt einen eigenen Titel (Fashion Positions) hinzu – es ist gut, dass da noch nicht alles in einen Topf geworfen wird. Aber trotz allgemein verschiedenen Bereichen sind im Raum die Übergänge dazwischen fließend und die Modeleute wollen das offensichtlich auch so verstanden wissen.
Auf den ersten Blick scheint das auch einleuchtend, denn Modedesigner entwerfen auch Künstlerisches und arbeiten auch in künstlerischen Prozessen. Wenn dann das Künstlerische als Print auf Kleidung aufgebracht wird, bleibt das Ergebnis Kunst? Wenn erkennbar modegestalterische Verfahren zweckfrei (also ohne Kleidung) zu großen Bildern gelangen, gehören die dann in eine Kunstausstellung? Und wenn eine Modeschöpferin mit einem Künstler interagiert, wechseln sie damit ihre Standorte? Alle ausgestellten Arbeiten der Modedesigner referieren auf solche Bezugnahmen auf unterschiedliche Weisen und rücken ihre Arbeit damit durchaus sinnvoll in die Nähe der Kunst auf der Kunstmesse, offenkundig übergriffig ist die Selbstpositionierung noch nicht. Aber der Kunst- oder Modeinteressierte muss an dieser Stelle sein Definitionsbild überprüfen oder auch korrigieren und mit der Auflösung des Kunstbegriffes und möglicher Definitionen dazu wird der Horizont nun noch flauer.
Am besten ist es wahrscheinlich, man sieht das Problem sportlich, denn in den meisten Fällen sehen die ausstellenden Modedesigner das auch so und die Künstler beziehungsweise Galeristen äußern sich in der Regel generös oder partnerschaftlich, wenn man mal nachfragt. Erstens spielt ja auch der Konkurrenzgedanke hier keine Rolle und zweitens weiß auch jeder, dass das künstlerische Niveau auf dieser Kunstmesse ein sehr breites Spektrum hat. So gesehen sind die künstlerischen Ambitionen der Modedesigner sehr erfrischend oder ihre Verweise auf zentrale Inspirationen überraschend.
In diesem Sinne ergänzen wir unseren optischen Parcours mit einigen Randbemerkungen, Gedanken und Zitaten. Die meisten Designer präsentierten schon Arbeiten auf der letztjährigen POSITIONS, grundsätzliches ist darum nicht neu.
Julia Bajanova – Elevated Politics: Ihre neue Kollektion transferiert weibliche Symbole wie Schuhe in die Materialität von zarten, transparenten Dessous, eine Mischung aus surrealer und sozialkritischer Betrachtung, gestalterisch freier Reflexion sinnlicher und politischer Implikationen. Die Pragmatik von Modedesign wird ad absurdum geführt.
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Damur – How many Pants do you have?: Das Label hat auf seiner grüne Schautafel mit der roten Schrift die Illustration ausgetauscht und ein aktuelles Schauobjekt (zum Thema Upcycling) dazu gestellt. Seine Referenz zu Kunst ist einfach: Da aus seiner Sicht Ästhetik in unserer Zeit kein Gestalt-Kriterium mehr ist, ist ein Gedanke oder ein visulles Konzept dieselbe Basis und Essenz für Kunst und für Design.
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Schmitd – Moiré Duvets: Die Oberfläche von Moiré-Stoffen verändert sich dauernd im Flusse von Bewegung – des Materials oder des Betrachters. Sogar im Sinne dreidimensionaler Tiefeneffekte. Für die Modedesignerin eine Analogie zu Träumen und Oszillation des Geistes, was die Pragmatik von Kleidung ersetzt durch abstrahierte Fantasien, die das Material und seine funktionale Form verlassen.
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Lou de Bètoly arbeitet schon lange sehr frei. Es spielt für sie kaum eine Rolle, ob sie ihre spielerischen Gestaltungsexperimente und Textilen als Kleidungsstück macht oder als ein Bild für die Wand. Das Anliegen, der Leitgedanke sind identisch.
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Claudia Skoda: Die Modeschöpferin hat ihre Arbeit seit den 80er Jahren schon immer im Kontext der künstlerischen Szene Berlins angelegt, sowohl was die Bedeutung als auch was die Gestaltung betrifft. Sie zählte zum künstlerischen Personal wenn es um Festivals und medienübergreifende Performances ging und inszenierte ihre Modearbeit auch meist in dem entsprechenden geistigen Kontext und Stil. Sie verstand ihre Modegestaltung selbst als Kunst. Es war quasi revolutionär, dass Mode Teil der Punk und New-Wave-Bewegung war, wenn auch auf andere Weise als Vivienne Westwood, die ja nur die radikalen Outfits für die Punk-Bewegung kreierte.
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Atelier Elle Pé – Luisa Pflüger & Alessandro Ametta: Luisa Pflüger macht Schmuck aus Bambus, der in ihrem Garten wächst. Eher schwer wirken die manchmal opulent wirkenden Objekte, sind faktisch aber ganz leicht. Neben diesem Narrativ ergibt sich die Verbindung zu Kunst aus der Arbeit im selben Atelier mit dem Fotografen Alessandro Ametta, von dessen Farbambientes und ästhetischen Konzepten sie sich zu Ideen und Umsetzungen inspirieren läßt.
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Blaucraut: Die Nähe zu Kunst erschließt sich bei der Blaucraut-Präsentation nicht zwangsläufig, auch wenn die formale Gestalt etwas bizarr oder frei-abstrakt daher kommt. Aber diese Kombination, die den praktischen Zweck verläßt, macht es vielleicht schon aus.
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Brachmann & Axl Jansen – Mies van der Rohe Haus Berlin: Schon seit geraumer Zeit arbeitet Brachmann projektartig an Architekturmonumenten der Moderne und versucht, deren stilistische und konzeptuelle Merkmale auf Kleidungsgestaltung zu übertragen. Und damit auch die entsprechende Leitidee. Sie arbeitet dann auch mit gleichgesinnten Fotografen (bzw. Videomacher) zusammen, auf deren Fotos (Filmen) die formstilisierten Ergebnisse, zum Teil auf wiederum neue Ebene gehoben, zu einem schlüssigen Ganzen zusammengebracht werden.
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CRUBA – Bónding: Die Arbeiten von Cruba sind nicht selten Ergebnisse weitreichender Gedankenspiele, die sich aber nur schwer „zurückverstehen“ lassen. Die hier gezeigten Arbeiten beziehen sich laut Infotext auf die Monte-Verita-Bewegung, eine kleine Reformergruppe aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Zusammenspiel von Kleidung und Tanzbewegung symbolisiert für die Designerin eine ganzheitliche, naturverbundene Kooperation, in diesem Sinne gestaltet sie die Silhouetten. So verstanden sind die Sachen weniger aufs Tragen hin konzipiert sondern eine an Kleidung angelehnte Visualisierung einer Weltanschauung.
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Equipe Berlin ist ein Zusammenschluss von vier Berliner Modelabels mit nachhaltigem Ansatz und Verfechtung traditioneller Handwerkskunst. Abgesehen von der stilistisch formalisierten Präsentation ist uns die Brücke zu künstlerischem Denken und Handeln nicht ganz klar geworden.
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Fiona Bennett – Mix vor Grafik: Es heißt, ihre Hüte seien inspiriert von vielen Besuchen in Künstlerateliers. Wie im letzten Jahr präsentiert sie eine Auswahl ihrer Hüte vor einer riesigen Grafik, so dass die optische Verknüpfung eine Verlängerung in den Bildraum hinein oder umgekehrt aus dem Bildraum heraus ergibt.
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Laura Gerte: Upcycling aus Stoffresten mit reizvollen Mustern und wertigen Stoffen, oft Seide. Ein Schicht von unzähligen Smileys darüber gedruckt ist dann das verbindende Netz – und Signal für gute Laune. Der Bezug zu Kunst bleibt noch offen, so lange einem keine sarkastischen Gedanken ins Hirn schießen.
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Esther Perbandt – Stadt: Der Beitrag der rennomierten Berliner Designerin versucht sich dieses Jahr in reiner Kunst. Ein Triptychon zum Thema Stadt, das von rechts nach links zu lesen ist – als Fläche, bebaute Fläche und untergegangene Stadtzivilisation. Es ist wohl ein Auftragswerk, das die Idee der Nähe zwischen Modeschöpfung und Kunst hier ganz gut auf den Punkt bringt – nicht zuletzt auch durch die textilen Materialien als Ausdrucksmittel.
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Starstyling – process of a look book shoot: Schon im letzten Jahr erschien das Label mit einer gewissen Verweigerungshaltung („Kunst – Mode – Scheisse“) und Komplexität des Erscheinungsbildes. Sowie einer seltsamen Aktion. Die leicht anarchistisch daherkommende Präsentation spiegelt auch schon den Produktionsprozess, der möglichst frei von stilistischen Bindungen, ästhetischen Grenzen und linearen Konzepten funktioniert. Kreativität um ihrer selbst willen, spontane Ideen und Experimente prägen das Tun und die Ergebnisse, große Vielfalt in allem und lockerer Umgang mit den Herausforderungen. Dass das Gestaltungspaar und seine Freunde das alles auch nicht sonderlich ernst nehmen (der ironische Labelname spricht ja schon Bände) ist durchaus eine ungewöhnliche Position im ansonsten recht kämpferischen Modebusiness.
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Steinrohner: Ein Paar, zwei Gestalter. Die künstlerischen Grafiken des Mannes überträgt die Frau auf Kleidungsstücke. Die Frage, ob Kunst (beziehungsweise Textildesign) damit auf- oder abgewertet wird, stellt sich für das Label wohl nicht, die Dialektik ist gelöst. Der Betrachter sieht mit der Synthese immerhin schöne Mode.
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Veronika Wildgruber & Mark Pillai: Ein Zusammenschluss zwischen Brillendesign und Modefotografie – eins adelt das andere.