Patrick Mohr – AW2011
Text: Boris Marberg
Bilder: Peter Becher
Der Designer Patrik Mohr hat mit der im Januar in Berlin vorgestellten Kollektion AW11 eine der interessantesten und richtungsweisenden Kollektionen überhaupt vorgestellt. In den vergangenen Saisons waren seine Schauen oft visuell sehr provokant und visionär ausgelegt. Vielfach wurde dies deshalb als eine intellektuell überladenen Metaebene interpretiert. Interessanterweise, wenn man die präsentierende Modeszene über die letzten Jahre hinweg betrachtet, wie sie sich entwickelt hat und wie diese Entwicklungen innerhalb der Berlin Fashion Week einerseits, andererseits aber auch in der gesamten Branche aufgenommen wurden, kommt man zu dem Ergebnis, das dass Design von Patrick Mohr einen der gewaltigsten evolutionärsten Sprünge überhaupt vollzogen hat. Während viele deutsche Designer, sich entweder mit kaum greifbaren Konzepten in eine Position bewegten, die aus der Eigenreflektion als Avantgarde bezeichnet wird, oder sich in einem immerwährenden Zyklus verfangen, der sich nur noch um das Wiederaufgreifen und Interpretieren von „klassischen“ Themen und Rollenverständnissen dreht, kann Mohr durch ein schlüssiges Konzept und ein real greifbares und auch emotional nachvollziehbares Lebensgefühl überzeugen. Gerne wird hierbei auf „EMANCIPATED SOCIETY“ als Schlagwort zurückgegriffen.
Hieraus resultiert auch, dass der Stil im Bereich Streetwear ebenso anzusiedeln ist wie in einer Anlehnung an den Postrationalismus. Die Grenzen der klassischen Rollen- und Geschlechterverständnisse lösen sich in unserer sich entwickelnden Gesellschaft immer mehr auf, die zwischen einer Vision des Niedergangs ebenso schwankt, wie in jener der Utopie eines globalen gesellschaftlichen „Quantensprungs“. Patrick Mohr ist deshalb konsequent, wenn seine Kollektion keine „Uni-Sex“ Kollektion ist, wie man dies schon seit mehreren Jahren aus dem Bereich Denim kennt, sondern einen Ansatz im Gender Mainstreaming verfolgt. Uniformität ist hiernach nur eine logische Konsequenz, um einen neuen Rahmen zu definieren in dem sich Individualität, losgelöst von Erwartungshaltungen und vorgeprägten Verhaltensreflexen entwickeln kann. Dies spielt sich fraglos nicht nur in der Mode als äußere Erscheinungsform des gesellschaftlichen Prozesses ab, sondern auch in anderen Kunstformen, wird aber durch die vorgestellte Kollektion extrem greifbar und real im Leben der Menschen als Instrument den Prozess auszudrücken auch bereitgestellt.
Farblich ist die Kollektion entsprechend zurückhaltend gestaltet und setzt auf ein enges aber angemessenes Spektrum an warmen Naturtönen, ohne Signale setzen zu wollen oder auch zu müssen um Aufmerksamkeit zu erregen. Bestechend unspektakulär liegt die Stärke der Kollektion auf der Handschrift des Designers und den sich hieraus ergebenden Silhouetten, die nicht durch einen formelle Schönheit überzeugen müssen, sondern nüchtern, funktional sind.