Olivia Ballard – Die Power-Show

Olivia Ballard – Die Power-Show

AT DUSK, Fashionweek Berlin aw2023 – MaHalla

Bilder: Andreas Hofrichter

Text: Gerhard Paproth

 

Die Inszenierung ist die halbe Miete. Das wissen nicht nur erfolgreiche Rockmusiker, das gilt umso mehr für die Mode. Nicht viele Modedesigner haben das erkannt, aber Olivia Ballard schon gleich am Anfang ihrer Karriere. Und das Konzept wurde umgehend zu einem großen Erfolg.

Bei eingehender Betrachtung sind die vorgestellten Kollektionsteile nicht unbedingt die Highlights des Schneiderhandwerks oder besonders innovative Schnitte oder rasante Designkonzepte. Sondern eher schlicht und einfach. Das Besondere findet sich in der Idee des Gesamtkonzeptes, und dessen Konsequenz und Radikalität machen das Revolutionäre aus. Es repräsentiert nämlich eine recht geradlinige Haltung zu Sexualität, die jedem Individuum seine Reize zugesteht und ihm Angebote macht, die zu unterstreichen, wenn es den Mut hat, sich darauf einzulassen („Body Positivity oder Consciousness“). Und dass dieser Mut verstärkt wird mit dieser scheinbar selbstverständlich daher kommenden Kollektion, ist ein weiteres Plus für die Begeisterung.

Natürlich entlehnt sich diese Haltung der Designerin aus dem Clubleben, wohl besonders dem Berliner, wo sich längst erotische Selbstverständlichkeiten und Lustbarkeiten etabliert haben, die jetzt erst in der Mode ankommen. Endlich, will man meinen, denn man fragte sich bisher schon, warum das auf den Berliner Fashionweeks so zurückhaltend gehandhabt wurde, obwohl doch mindestens jedem Insider klar war, dass hier die entscheidende Zutat sozialer Trends mehr oder weniger unterdrückt blieb und höchstens in kleinen, appetitlichen Andeutungen die Shades-Of-Grey als spielerische Akzente zitiert wurden. Als sich die Szene schon viel weitergehend und selbstbewußter auslebte.

Einerseits ist es gar nicht schlecht, dass sich die Kollektion sehr schlicht und unprätentiös gestaltet, es gilt ja erst einmal die Basics zu definieren beziehungsweise herauszustellen, und das macht sie sehr gut und beispielhaft. Regel eins: Es gilt für alle und jeden, dem/der es Spass macht. Alter, Geschlecht und körperliche Erscheinung spielen keine Rolle. Das ist schon ein revolutionärer Zug (von dem mehr geredet wird als dass er grundsätzlich wäre). Regel zwei: Es ist mehr möglich, als du dachtest, mach‘ einfach. Regel drei: Der ästhetische Anspruch ist nicht festgelegt, das Schlichte muß keinem Chanelniveau folgen und das Spielerisch-Dekorative darf seine Reize auch ausspielen. Traditionen sind nicht verpönt, liebevolle Schnitte und Details haben im neuen Kontext auch ihren Platz – überhaupt ist eigentlich nichts verpönt, wenn es anderes nicht ausschließt. Soweit manches dieser Regeln bisher schon in Kollektionen zu finden war, dann war es doch hauptsächlich ein kommerzielles Kalkül. Eine solche Perspektive kann man Julia Ballard nun gewiß nicht unterstellen, sie etabliert vielmehr eine sozio-modische Grundhaltung. Eigentlich sehr simpel, aber durchaus nicht gewöhnlich in der gezeigten Konsequenz.

Aber eine deutliche Ausrichtung auf ein Zielpublikum unternimmt sie dennoch und der folgt die wirkmächtige Inszenierung, die aus der Clubszene à la Berghain entleht ist, mit großer Kenntnis und Entschiedenheit. Die Location: eine übergroße Fabrikhalle historischer Ästhetik; eher abgelegen und versteckt zugänglich. Der Sound: extrem laut, körperlich und technospezifisch. Die Beleuchtung: dunkel, so karg es geht mit maximal ausgelegten Akzentuierungen (Spots). Das Klima: wie es halt gerade ist, in diesem Falle recht kalt. Das Publikum: eher focussiert (nicht exklusiv oder „arriviert“) aber zahlenmäßig nicht limitiert. Und die Models: äußerlich beliebig aber bereit, sich dieser Szene zugehörig zu fühlen, also die entsprechende Haltung zu vertreten. Die geladene Presse: eher keine, und wenn, dann nicht die traditionelle VIP-Modepresse. All das hat, zusammen gesehen, durchaus etwas Berlintypisches und kann wohl auch nur in dieser Stadt so straight, selbstverständlich und entschieden verwirklicht werden.

Zur Modeschöpfung selbst gibt es, wie bereits angedeutet, eigentlich nichts Bemerkenswertes heraus zu stellen. Solides Schneiderhandwerk ohne besondere Attitude, alle Stücke sind handgefertigt und werden im Studio in Neukölln hergestellt. Die Materialien sind oft transparent oder im Wet-Look, Mesh-Stoffe, Leder und Denim, das Design tritt mit vielen Entlehnungen aus zeitgenössischen Üblichkeiten auf: ein wenig schräg und asymmetrisch, ein wenig ausgefranst, ein wenig dekonstruiert, ein wenig gerafft und gefältelt und geknotet, ein wenig geöffnet und ein wenig verschlossen, ein wenig rau und ein wenig glatt, mit und ohne Oberflächenapplikationen. Viel Schwarz aber nicht zwanghaft ausschließlich, und auch gar nicht düster. Aber immer körperbezogen und das bis hin zum Lässig-Offensiven. Der Auftritt macht’s, die Attitüde des Tragens prägt diese Mode entschiedener als üblich und diese Einheit von Bekleidungsmodus und (zum Teil provokativem) Selbstverständnis enthält den revolutionären Touch dieser Kollektion und ihrer Präsentation.

Wenn überhaupt eine Modenschau diese Saison der Fashionweek eine neue Richtung vorgeschlagen hat, dann war es diese und es dürfte auf der Hand liegen, dass sie einen entsprechenden Erfolg generiert. Bei manchen anderen, ebenfalls bestechenden Labelauftritten ging die Orientierung durchaus in dieselbe Richtung, manchmal sogar ästhetisch anspruchsvoller (z.B. Namilia) aber die schlagkräftige Inszenierung hier war einfach zu prägnant.

 

Olivia Ballard - Die Power-Show

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