Oksana Mukha
Hinter dem Familienbetrieb, der sein Stammhaus in Lviv in der Ukraine hat, stehen Mutter und Tochter (Oksana und Katya Mukha). Das Bekleidungshaus ist seit vielen Jahren darauf spezialisiert Hochzeits- und Abendkleider im klassischen Stil zu fertigen. Dabei steht eine preiswerte, aber sehr hochwertige Fertigung in der eigenen Manufaktur Vorort im Mittelpunkt.
Seit einiger Zeit ist das Label auch vermehrt in Westeuropa zu finden, auf Messen und in einzelnen Ländern – z.B. Deutschland – über Distributoren.
Eine Unterteilung in saisonale Kollektionen, scheitert bereits an der konzeptionellen Ausrichtung, Kleidung für individuelle Anlässe anzubieten. Wie bei aller Abend- und Hochzeitmode wirft die Auseinandersetzung die typischen Fragen nach Zweck, gesellschaftlicher Ausrichtung und sozialer Akzeptanz auf. Sicher, auch im westeuropäischen Markt finden sich dezidierte Anbieter von tradierter Abendmode – dominiert in der Formgebung ohnehin stilistisch die westliche Gestaltungslehre – so fällt dennoch bei der Auseinandersetzung mit osteuropäischer Abendmode auf, dass hier in gesteigertem Masse diese Abend-, wie auch die Hochzeitsmode, klischeehaft der sozialen Differenzierung in dem Sinne dient, sich als Trägerin sozial abzugrenzen und Status zu vermitteln. Emanzipatorische Gesten zu erwarten wäre hier (leider) fehl am Platz. Vielmehr steht im Vordergrund, traditionellen Geschlechterrollen „gerecht“ zu werden und als Frau zum „Accessoire“ des männlichen Begleiters zu werden. Was noch kulturell bei Hochzeitsmode nachzuvollziehen ist, wird im zeitgenössischen Verständnis von sozialer Funktion von Damenbekleidung mehr als fraglich. Wenn Bekleidung als „kommunikative Entlastungsfunktion für Frauen, die in unterdrückten Machtverhältnissen“ ( Barbara Schmelzer-Ziringer, Mode Design Theorie, UTB 2015) leben verstanden werden muss – und nichts anderes ist es, wenn tradierte Geschlechterrollen verfestigt werden – so stellt sich in einem anderen Kontext die Frage nach der Funktion, welcher (angeblich) die Form folgt.
Hierbei kann durchaus in wechselseitiger Abhängigkeit festgestellt werden, dass eine soziale Uniformierung bei den Damen stets zur sozialen Positionierung auch mit dem Korsett der Uniformität bei der parallelen Herrenmode einhergeht (die aber selten in ähnlich ausgeprägten gesellschaftlichen Fokus und Diskurs steht).
Gerade die Auseinandersetzung mit dem zeitlichen, sozialen und räumlichen Kontext stellt aus der Genderperspektive Abendmode als Ganzes in Frage. Sofern es noch zutreffend ist, dass insbesondere osteuropäische Gesellschaften, in der Adaption der westlichen Prägung der Mode im Gesamten, in wesentlich größerem Masse Rollenverständnisse noch zementiert haben, wäre es mehr als an der Zeit, dass in diesem modischen Umfeld eine intensiver Auseinandersetzung mit der sozialen Funktion stattfindet. Ansätze in der akademischen Ausbildung von Modeschaffenden in den westlichen Gesellschaften existieren bereits, sind aber in Osteuropa nahezu nicht zu finden. Insofern hängt auch der emanzipatorische Charakter von Mode, als Ausdrucksmittel eines inneren Selbstverständnisses von Gender weit hinterher.
Stilistisch und technisch ist von der Kollektion wenig Innovatives zu erwarten gewesen. Die Silhouetten sind klassisch auslaufend in vielfachen langen A-Formen gehalten. Kleider werden mit passenden Mänteln kombiniert. Die Stickereien und die Ornamentik halten sich zwar zurück, sind aber dennoch vorhanden. Ansprechend sind teilweise blumig, bunte Drucke bei einem Oberteil und einem langen Rock. Die Kollektion erfüllt ihre Funktion als dekorative Ausstattung bei entsprechenden sozialen Ritualen im Sinne der Präsentation der Zugehörigkeit einer sozialen und finanziellen Schicht. Individuelle Noten in der eigenen Ausdrucksform sind nicht vorhanden und konzeptionell auch nicht angedacht. Die Auseinandersetzung mit dieser Kollektion (Titel: Evening Collection Privee SS 2016“) eignet sich zur differenzierten Auseinandersetzung mit sich unterschiedlich entwickelnden Sichtweisen auf die soziale Funktion in der zeitgenössischer Mode.