Marina Hoermanseder: Ich will Spass!

Marina Hoermanseder: Ich will Spass!

Fashionweek Berlin ss2020, SEZ

Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth

 

Der Hype wird perfekt und aufwändig gefüttert, diese Fähigkeit hat Marina Hoermanseder mit ihren Showveranstaltungen mittlerweile optimal kultiviert. Alle Liebhaber des Labels und seines Nimbus’ kommen reichlich auf ihre Kosten, denn nicht nur der Laufsteg ist attraktiv gestaltet, sondern unzählige Nebenbereiche mit ambitionierten Schmackhaftigkeiten und Getränkevarianten sind stilsicher und attraktiv zu einem großen Loungebereich hinzugefügt. Sehen und gesehen werden ist die Maxime, der alle frönen sollen und können und es ist selbstredend, dass genügend schöne Frauen mit Hoermansederkleidung dabei sind: Für allseitige Vergegenwärtigung des Lifestyle-Labels in großzügigem Kontext ist gesorgt. Und sogar nach der Veranstaltung tragen die leuchtenden, prall gefüllten Goodie-Bags den Impact ins urbane Berliner Umfeld. Wir sind Hoermanseder.

 

Marina Hoermanseder: Ich will Spass!

 

Drei Gestalten zum Auftakt der Schau machen klar: Es geht um (auf dieser Fashionweek auch schon mehrfach zu sehende) Neonfarbigkeit, deren Charakteristik bekanntlich ihre Signalwirkung ist. Neon repräsentiert nicht wie in den 80ern ein Kennzeichen für äußerster Coolness (da entstand der Begriff “cool”, in Bars und Clubs gehörte kaltes Neonlicht), sondern versteht sich jetzt, auf Kleidung angewendet, als Mittel zur maximalen Leuchtkraft. „Achtung, ich bin!“ Müßig, eine Philosophie- oder Psychologieabhandlung daraus abzuleiten.

Im Laufe der Schau traten dann vorwiegend schimmernde und glitzernde Kunststoffe dazu, und das auf durchaus geschmackvolle und stilsichere Weise. Wie gewohnt hat die Designerin noch immer atemberaubende Varianten ihrer steifen Ledercorsagen gefunden und die bekannten Lederriemen in neue Erscheinungskonzepte transferiert, sogar aus der Anfangszeit kamen orthopädische Konstruktionen wieder zu Ehren. Glitzerndes Orange oder ein paar Formmodifikationen machten aus dem Bekannten – und Bewährten – etwas Neues. Auch andere Insignien ihrer vorausgegangenen Kollektionen, wie zum Beispiel die K. u. K.-Sahnetorten-Stilistik, tauchten wieder auf und machten klar, dass diese Sachen keineswegs zum alten Eisen gehören sollen. Aber dennoch hat diese Kollektion jetzt konsequent Abschied genommen von den mädchenhaften Verspieltheiten mit applizierten Blümchen früherer Saisons. Schleifen und übermäßig gebauschte Raffungen erinnern zwar noch an diese Neigung, aber diese Stilismen sind jetzt einer anderen Idee nachgeordnet. Als Edel-Disco könnte man den neuen Gout verstehen, wobei die Veredelung außerordentlich gekonnt, ideenreich und mit vielen Raffinessen vorgeführt wird. Dafür werden die geeigneten Kleidungsstücke nicht nur mittels Textilwahl, Glimmer und Farbigkeit in eine neue Sphäre transferiert, auch elegante Abend- und Cocktailgarderobe erhält so eine neue Prägung der Auffälligkeit und des Glanzes, sogar wenn die Grundfarbigkeiten noch eher verhalten bleiben.

Nicht selten kann man aber auch den sogenannten Asia-Kitsch damit assoziieren, der ja auch hemmungslos Glimmer und Bonbonfarben feiert.

Auch wenn in der Gesamtkollektion noch ein paar unterschiedliche Orientierungen aufschienen, so ist sie doch geschlossener, einheitlicher und in ihrer Konsequenz überzeugender, als die vorhergegangenen. In den letzten Kollektionen tauchte das starke Interesse Marina Hoermanseders an Discoclubkultur schon mehrfach und deutlich auf, war aber simpler in der ästhetischen Formulierung. Die jetzige Schau definiert ihre Zielgruppe entschiedener und ist hinsichtlich der Geschmackssicherheit vielen vorangegangenen Experimenten überlegen. Schon das rechtfertigt den Erfolg, den diese Schau hatte.

Zugegeben, Disco- bzw. Clubkultur ist in der Regel eine eskapistische und soziologisch flache, das hat schon bei ihrer Entstehung in den 70er Jahren zu extremen Polarisierungen in der Jugendkultur geführt. Der übersteigerte Glanz in dieser unbedarften Parallelwelt erntete konsequente Verachtung außerhalb, „Disco-Sucker“ war die Bezeichnung, die ich seinerzeit in Los Angeles dazu hörte, und weltbildmäßig war die Verachtung nicht ungerechtfertigt, auch wenn damals „Saturday Night Fever“ mit John Travolta ein Welterfolg wurde und die Disco-Manie gesellschaftsfähig machte. Angesichts der Hoermanseder-Show kommen einem solche Kontroversen wieder in den Sinn: viel PVC und Kunststoffe tauchen auf, und wenn sie es nicht sind, erscheinen sie immerhin so. Selbst dem Naturmaterial Leder hat die Designerin einen künstlichen Touch verpasst. Angesichts der Fridays for Future – Bewegung und dem weltweiten Desaster mit Plastikmüll und -recycling ist das modische Feiern einer Kunststoffästhetik durchaus ein problematischer Aspekt. Und damit rückt diese Art Clubkultur, auch in seiner verfeinerten, pfiffigen und geschmackvollen Prägung, wieder in einen Diskussionskontext, der mindestens polarisiert.

 

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