FW Berlin ss2020, E-Werk
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Andreas Hofrichter
Nach wie vor ist die Arbeit von Lou de Bètoly (früher Teil von Augustin Teboul) von handwerklichem Vergnügen geprägt, insbesondere durch solche Applikationen, aber auch von Häkel-, Klöppel- und anderen Techniken für textile Flächen, die mit der aktuellen Kollektion aber eher klein ausfallen. Und nach wie vor steht das Spielerische im Zentrum, auch in den Kombinationen und, jetzt gegenüber dem reinen Schwarz (oder Weiß), auch von Lust auf Farbe. Alles, außer den Schuhen ist selfmade und das zumeist wenige am Körper versteht sich eher als gestalteter Akzent für die Haut und Figurfläche – und vielleicht für sich selbst.
Böse formuliert ist es handwerklich und besonders experimentell anspruchsvoller Fummel. Es macht dennoch Spass, das zu sehen, denn es ist liebevoll und gekonnt gemacht. Einige weitere, eher konventionelle Kleidungsstücke, Kleider, Hosenanzüge etc. finden sich ebenfalls in der Kollektion, aber die passen nicht so überzeugend in das gefühlte Gesamtkonzept und mögen einem Zugeständnis an die notwendige Kommerzialisierung geschuldet sein. Sie haben für sich genommen nicht viel Überzeugungskraft.
Die Neuausrichtung gegenüber der früheren Arbeit mit Auguistin Teboul hat eigentlich nur die bestechend kreative handwerkliche Ausrichtung erhalten und den erotischen Touch ausgebaut, alles weitere ist anders. Besonders der Wegfall der Charakteristika, die man mit Gothic und Punk verband, nimmt den neuen Sachen einen gewissen Spirit, der doch sehr typisch war. Das Üppige der Ausstattung ist nun auch eher verloren, aber das Spärliche ist gediegen differenziert und gewinnt den erwähnten Anteil an Sexyness. Auch den französischen Touch meint man stärker zu spüren.
Dahinter steht ein Kozept von kalkuliertem nächtlichen Chaos (das auch die Visagistik zu betimmen scheint), dessen Bestandteile in experimentellem Prozess ohne Leitmotiv entstehen und zusammengetragen werden. Mit einem Arbeitspartner fügt Lou de Betoly daraus durchaus in sich stimmige Konstruktionen, ohne dass geradlinige Schlüssigkeiten dahinter stehen. Die Planung des Ungeplanten behält so den Charakter des improvisierten Arrangements, der wohl auch angestrebt ist und irgendwie die Vorstellung von nächtlichem Schwebezustand, luxuriösem Partyvergnügen, Auflösung und erotischen Kräften enthält.
In der Schau funktionierte diese Grundidee aber nicht immer. So verhindert z.B. ein Magermodell im knappen Outfit aufkeimendes erotisches Flair (das Strumpfkonzept sowieso) und akzentuiert ausschließlich das Fluidum des Kränklichen.
Mit dem klug und mutig ausgesuchten, experimentellen und spannenden Soundtrack wird dennoch der etwas wilde, leicht chaotische, offene und sehr experimentierfreudige Anspruch des Ganzen ins Auditive übertragen und vergewissert die Richtung der Interpretation. Und die Modelle laufen jetzt sehr dynamisch schnell über den Laufsteg, wo früher ausschließlich ruhige Liveinstallationen angesagt waren. „Schnell durch …“ lästert da ein Kollege, den die Schau ratlos zurückläßt.