BORN IN KYIV: Sculptor Of Love, Fashionweek Berlin aw2023 – Altes Kraftwerk
Text und Bilder: Boris Marberg
Der junge, ukrainische Designer Jean Gritsfeld ist einer der vier Kreativen der Branche aus seinem Land, welche auf der Berliner Modewoche im Rahmen der öffentlichen Förderung durch den Senat zusammen mit dem Berliner Salon seine aktuellen Werke präsentieren konnten. Anders als DZHUS, Bobkova, Litkovska zeigte Gritsfeldt seine Werke weit im Berliner Osten, in einer ungenutzten kleinen Kraftwerkshalle in Schöneweide, unsaniert, idealisierend heruntergekommen, schwach beleuchtet und improvisiert – ziemlich versteckt. Ein erlesenes Fachpublikum fand dennoch den Weg dorthin. In sehr düsterer und dunkler Industrieromantik zeigte Gritsfeld seine Kollektion SCULPTOR OF LOVE, die im Grunde nichts Neues des Designers zeigte, sondern vielmehr Neuinterpretationen seiner bisherigen Kreationen. Diese stehen für sein bisheriges Werk. Die gekonnte und selbstbewusste Inszenierung geht dem ehemaligen Model auch leicht von der Hand. Der Star des Werkes ist nicht die Mode, sondern der Schaffende selbst, der in seiner aktuellen Lebenssituation, konfrontiert mit dem Krieg in seiner Heimat, sich spirituell geprägt sieht und erneut ein Statement für Frieden, Liebe und Harmonie, heraus aus den Wunden, die geschlagen wurden, dem Publikum mit auf den Weg geben möchte.
Dramaturgisch, von Presse und Publikum zelebriert, gelingt dies und kann die Anwesenden situativ begeistern. Gritsfeldt ist inzwischen – überspitzt und vielleicht zynisch formuliert – ohnehin quasi der „Darling“ aus dem Kriegsgebiet. Modisch und visuell betrachtet bleibt leider bei dieser Präsentation vieles (auch wortwörtlich) im Dunkeln. Die Herren- und Damenlooks sind sichtlich voneinander und auch untereinander isoliert zu betrachten. Fast biedere, klassisch-funktionale Herrenanzüge stehen neben wilden, metallisch schimmernden Damenlooks, die an Oversized Jacketts der 1980er von Designgrößen wie Gianni Versace erinnern. Außerdem die klassischen Material- und Stilcollagen. Es finden sich viele Brüche bei den Kreationen, eine einheitliche Stilistik ergibt sich mit der Kollektion kaum. Zur Herstellung eines Gegenwartsbezuges werden mehrfach Sprüche auf den Textilien appliziert oder direkt auf den Körper geschrieben, welche einen inhaltlichen Kontext zum Krieg und der Sichtweise des Designers auf die aktuellen Ereignisse zeigen. Interessant ist dies allemal, gibt es doch viel Einblick in die individuelle Realität und den erzwungenen Anpassungsprozess des schöpferischen Schaffens an schwierige, äußere Umstände.