Fair Wear Foundation: Pressekonferenz

Fair Wear Foundation: Pressekonferenz

Nachhaltige Produktionsketten

Präsentation der Analyseergebnisse: Lotte Schuurmann

Diskussion: Tony Tonnaer, Daniel Luger, Vera Köppen

Moderation: Jana Kern

 

Text: Boris Marberg & Gerhard Paproth

Auf der Fashion Week präsentiert sich die nachhaltige Mode auf verschiedenen, eigenständigen Ebenen (unter anderem: Green Showroom / Ethical Fashion Show ) an eigenständigem Ort (Kraftwerk). Dafür haben sie in dieser Saison mit ausgedehnter PR-Arbeit besondere Anstrengungen unternommen, dieses Modesegment der Öffentlichkeit nahe zu bringen. Die Pressekonferenz der Fair Wear Foundation engagierte sich beispielsweise besonders, viele Journalisten für ihre Veranstaltung zu gewinnen.

Andere Konferenzen auf der Fashion Week könnten sich hieran ein positives Beispiel nehmen. Irritierend ist zum Beispiel, dass der Veranstalter der ZEIT-magazin – Vogue – Konferenz (Convent Kongresse), die ebenfalls Mode im gesellschaftlichen Kontext kritisch beleuchtet, von Journalisten einen Anwesenheitsbeitrag von 100€ einfordert. Der Selbstanspruch gesellschaftlich relevant wirken zu wollen erscheint uns damit nicht überzeugend.

Dieses gesellschaftliche Anliegen wird von der Fair Wear Foundation dagegen überzeugend dargelegt. Sie agiert seit rund fünf Jahren, ist unabhängig, eine Non-Profit-Stiftung und in elf Ländern aktiv, darunter Indien, Indonesien, Myanmar und Bangladesch. Aktuelle Schwerpunkte sind sind Aktivitäten in der gesamten Herstellungs- und Vertriebskette. Damit versucht die Stiftung die Verantwortungen in dem komplexen und zum Teil undurchsichtigen System herauszuarbeiten. Es ist ihr gesellschaftspolitischer Anspruch, dies transparent zu machen.Außerdem hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, neben der Überprüfung von allen Abläufen auch Business und Know-How zu vermitteln.

 

Fair Wear Foundation: Pressekonferenz

 

Zur Zeit vereint die Fair Wear Foundation 130 Marken aus zehn europäischen Ländern als Mitglieder. Im einleitenden Bericht zur Pressekonferenz beschreibt ihre Sprecherin  die Bilanz der Evaluierungen seit 2011 als positiv. Dennoch sei es problematisch, ein 100%-Fair-Siegel zu vergeben, das heißt mit Garantien für faire Abläufe gerade zu stehen.

Faire Bekleidung bedeutet nicht unbedingt, dass die Materialen allein einem definierten ökologischen Standard entsprechen. Nachhaltigkeit hat weitere Aspekte und Facetten. Mindestens genauso wichtig wie eine ökologische Produktion von Textilien ist, dass die Produkte im ersten Schritt fair und vielleicht in einem weiteren Schritt dem Gemeinwohl dienend hergestellt und vertrieben werden. Die Fair Wear Foundation stellte sich in der Pressekonferenz und Diskussionsrunde zusammen mit drei teilnehmenden Unternehmen dem Diskurs und bot Erfahrungen und Ansichten aus erster Hand. Die unternehmerische Motivation, sich einem Prozess zu unterwerfen, der transparent und auch kritisch die gesamte Produktionskette unter die Lupe nimmt, kann schon sehr unterschiedlich sein.  Dabei zeigen sich Defizite, aber auch Potentiale. Ethische Überzeugungen und der Wille, ein in allen Aspekten hochwertiges Produkt anbieten zu können, schließen sich hierbei nicht aus. Auch die Annahme, schlussendlich (bewusst, oder unbewusst) habe der Endverbraucher die Entscheidungs- bzw. Marktmacht, bleibt gegenwärtig.

Spannend ist die Erkenntnis, dass es sowohl für den Verbraucher, aber auch für die Marke an sich in keiner Weise per se überschaubar ist, wie sich die Produktionskette gestaltet und in der Tiefe der Komplexität verzweigt. Die Herausforderungen sind vielschichtig. Es geht darum, grundlegend nachhaltige Praktiken bei allen Schritten der Herstellung und des Vertriebs zu berücksichtigen. Im sogenannten Perfoming Check der Fair Wear Foundation ( FWF) werden rund vierzig Indikatoren herangezogen um diese Evaluation unternehmerischen Handelns und Produzierens zu gewährleisten und Defizite wie auch positive Entwicklungen aufzudecken. Vieles dreht sich dabei darum, gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. So könnte zum Beispiel schon eine gute und zeitnahe Planung sicher stellen, dass durch Termindruck nicht regelmäßig in den Fabriken bis zu 16 Stunden am Tag für Arbeiterinnen und Arbeiter anfallen. Dabei muss sich vor Augen gehalten werden, dass die Lohnkosten in den Fabriken teilweise nur im unteren einstelligen Prozentbereich der Gesamtkosten bei der Herstellung eines Kleidungsstückes anzusiedeln sind – Mindestlöhne und existenzsichernde Löhne sind bei weitem nicht die Regel und können auch nur sehr schwer überprüft werden. Eine Zusammenarbeit mit regionalen Gewerkschaften ist deshalb für die FWF sehr wichtig. Kinderarbeit und Sklaverei sollten in unserem Jahrhundert eigentlich kein Thema mehr sein. Wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass selbst nachhaltig ausgerichtete Unternehmen eine gewisse Marktmacht bei ihren Bezugsquellen und in den Fabriken benötigen um wirklich entscheidend darauf einwirken zu können die Arbeitsbedingungen real zu verbessern. Die FWF geht dabei davon aus, dass der Schwellenwert bei etwa 10% liegt. Stellt die Produktion für eine Marke rund 10% der Produktionskapazität einer Fabrik dar, so kann davon ausgegangen werden, dass diese Marke tatsächlich bereits Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann. Wichtig ist deshalb die Fluktuation von Bezugsquellen zu durchbrechen und langfristig nicht immer wieder wechselnd andere Fabriken als Produzenten zu haben und so zu einer stabilen Produktionskette zu kommen. Die Übersicht zu behalten ist herausfordernd. Eine Lösung muss sein, regelmäßig vor Ort zu sein und die Produktionsbedingungen in den Fabriken, Wäschereien, Färbereien, Webereien und so weiter direkt im Auge zu behalten.

Produktionsstätten in Fernost erfordern darüber hinaus wesentlich mehr Reiseaufwand, als Produktionsstätten in Ländern, die an Europa angrenzen, zum Beispiel der Türkei, eines von dreien exemplarischen Ländern, das neben China und Indien aktuell mit spezifischen Problemen im Fokus steht. Während es in der Türkei Kinderarbeit ist, welche durch den Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien in den tieferen Segmenten der Produktionskette sogar zugenommen hat, ist zum Beispiel in Indien die verbreitete sexuelle Belästigung von Frauen weiterhin ein gravierendes Thema. In China, dem immer noch größten Exporteur von Bekleidung weltweit, sieht die FWF den Schwerpunkt auf übermäßigen Überstunden durch Termindruck und fehlenden Arbeitskräften in der Produktion.

Insgesamt ist es deshalb auch konsequent, nicht von einer 100%-igen Transparenz und Umsetzung auszugehen, sondern programmatisch darauf zu setzen, dass eine stetige Verbesserung stattfindet und sich die bei der FWF teilnehmenden Marken kontinuierlich verbessern und auch lernen, ihre eigenen Abläufe im Detail zu kennen. So hätten im Jahre 2017 87% der teilnehmenden ihre Produktion überprüft und 78% die Produktionsstandorte besucht. In Bezug auf Mindestlöhne hätten nach der FWF 97% der Marken eine Preispolitik, die es ermöglichen würde Mindestlöhne zu bezahlen. Mindestlöhen in diesen Ländern darf man aber nicht mit existenzsichernden Löhnen vergleichen. Hier geht die FWF von einer Rate von nur 44% bei den Anstrengungen dafür zu sorgen aus, dass in den Fabriken auch existenzsichernde Löhne bezahlt werden. Das klingt angesichts des geringen Umfanges des Kostenanteils am Endpreis nicht ermutigend und zeigt, dass noch viel Potential brach liegt – und erschreckt darüber, wie diese Quote wohl bei nicht teilnemenden Marken aussehen mag. Von Volumenhändlern und –marken mal ganz abgesehen. Positiv muss man aber festhalten, es gibt Möglichkeiten für Marken bewusster zu handeln und bei diesen Prozessen begleitet zu werden. Wenn nun auch der Endverbraucher bewusster handeln und nachfragen würde, könnte für das weltweite Gemeinwohl noch viel erreicht werden.