DACH Showroom aw2021 – Mode alternativ

DACH Showroom aw2021 – Mode alternativ

Berlin – Paris – Tokyo – Wien – Zürich aw2021

Text und Bilder: Gerhard Paproth

 

Die vom Berliner Senat geförderte Showroom-Veranstaltung DACH zu den Fashionweeks verteilt sich, noch real, in der Fashionweeksaison auf mehrere große Städte, angesichts der Tatsache, dass Reisen zu Pandemiezeiten ja problematisch bis unmöglich ist. Die Showzeiten sind entsprechend versetzt, aber dennoch reisen nicht alle teilnehmenden Kollektionen in alle fünf Städte, leider, die Label-Präsenzen sind verschieden gemischt.

Die per Jury zusammengestellte Gruppe, die diese Saison insgesamt vertreten ist, besteht aus #Damur, Aline Celi, Esther Perbandt, Franzius Hänska, Johanna Gauder, Marcel Ostertag, Perlensau, Schmiede Bosslau und Starstyling. Angeschlossen aus Österreich (AFA Agency) sind Florian Jewelry, Güç, Margaret and Hermione, Miyagi, Modus Vivendi, Scotria und aus der Schweiz (Mode Suisse) Luca Xavier Tanner, Yvy.

Paris wurde nach Berlin verlegt und die Teilnehmerzahl auf neun reduziert. Parallel zum realen Ort präsentiert sich der DACH Showroom auch im Internet, aber leider funktioniert da nicht alles.

Was man normalerweise bei der Großauswahl in Paris sieht, hat auch nur immer einige wenige Highlights, der Rest oszilliert meist im Mittelmäßigen, vorsichtiger formuliert im stark kommerziell Ausgerichteten. Jetzt, wo nun also der Showroom in Berlin (statt Paris) auf vergleichsweise wenig Designer zusammengezogen wurde, merkt man diese Verhältnisse schon deutlicher, umso mehr, als einige Fashion-Highlights wie Esther Perbandt stattdessen in Tokyo zeigen. Kurz, für lokale Einkäufer sicherlich eine durchaus attraktive Auswahl, für die Suche nach innovativer Gestaltung eher wenig spannend. Der Schwerpunkt liegt ohnehin mehr auf nachhaltigen Konzepten.

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Im Zentrum des Showrooms zeigt Damur eine große Kollektion und, wie immer, hat Shih-Shun (Damur) Huang der Gegenwart wieder das Aktuellste abgeschaut, was er so direkt wie es geht umgehend in Kleidungsgestaltung umwandelt. Und im Handumdrehen in Taiwan produzieren läßt. Lieferzeit: ein paar Tage. Und was ist das Aktuellste für uns? Richtig, Pandemie mit Masken, betrifft jeden! Wenn Mode ihrem ursprünglichen Anspruch folgt, so dicht und pointiert up to date zu sein wie möglich, dann ist das bei Damur der Fall. Nach seiner Philosophie ist kein aktuelles Thema unverwertbar für Mode. Schlagkräftige Begrifflichkeiten dürfen auch nicht fehlen: Schon auf der SS21 Taipei Fashion Week zeigte er im Oktober 2020 diese, seine achte Kollektion mit dem Titel “008 Epidemic-Free Fashion Era” in Kollaboration mit der Kalifornischen Marke Brothers Marshall. „Pandemie-sichere Travelwear“, wie immer in plakativem Design, unkomplizierten Unisex-Schnitten und jetzt aus dünnem Maskenstoff, der mit zusätzlicher Beschichtung wasserfest gemacht wurde. Reinigung: nur mit kaltem Wasser abwischen. Damurs Überzieher der Gegenwart zeigen, was angesagt ist in diesen Zeiten (und dass man damit voll dabei ist).

DACH Showroom aw2021 - Mode alternativ

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Die Bademode von Margaret and Hermione ist vom Erscheinungsbild her wenig ungewöhnlich oder attraktiv, eher betont neutral. Aber das Material ist ungewöhnlich, statt aus Polyamid bestehen die Teile aus recycleten Fischernetzen: „Nach langer Recherche bin ich auf die Fischernetze gestoßen und fand das eine sehr schöne Geschichte: aus dem Meer zurück in das Meer“. Ein gutes Beispiel für Produktphilosophie, die den Geist der Dinge und die ideologische Haltung über den Gestaltungsauftrag stellt: „Man sollte nichts machen, was einfach nur schön oder gefällig ist.“

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Auch die Produkte des Berliner Taschenlabels HÄNSKA sind von Nachhaltigkeit geprägt, besonders der Baumwollschulranzen fällt auf. Hier ist aber Design des praktischen Nutzens mindestens gleichwertiger Anspruch, wenn auch nicht Chic und Eleganz verpflichtet, sondern eher zurückhaltend.

DACH Showroom aw2021 - Mode alternativ

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Arbeitskleidung als Mode zu kreieren ist das Anliegen von Luca Xavier Tanner (Schweiz). In Assoziation mit Beuys und vielleicht auch Jonathan Meese ansprechend entwickelt er pragmatische Unisex-Kleidung für Künstler: Die „Teile der Kollektion sollten auch in der Lage sein, einen kreativen Menschen bei seiner täglichen Arbeit zu begleiten. Die Funktionen einer Utility-Jacke werden aufgegriffen und in die Kollektion integriert. Teile sollten den Träger bei seiner Arbeit unterstützen – nicht behindern. Viel Bewegungsfreiheit ermöglicht auch das Arbeiten auf dem Boden …“ teilt der Pressetext mit. Auch hier steht der pragmatische Anspruch für das ästhetische Konzept, immerhin bekommen manche Strukturmuster ein reizvolles Eigenleben. Wenn Bildende Künstler als ein Marktsegment für Mode erkannt werden oder als Protagonisten, gibt das jedenfalls zu denken.

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Das Wiener Strickwaren-Label Modus Vivendi bietet im eigenen Atelier (hand-)gefertigte Kleidung, teils mit eleganter Note, teils sehr lässig im Design, teils als bewusst plumpe Homewear.

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Der deutsche König der begleitenden Botschaften in der Mode, Marcel Ostertag, kann auch in dieser aktuellen Kollektion nicht gerade mit gutem Geschmack oder ausgefeiltem Stil punkten. Einige weniger auffällige Mäntel aber sind durchaus gelungen im Schnitt und gehen als lässig und für sich stimmig noch durch. Immerhin legt der Modemacher Wert auf nachhaltige Produktion, hochwertige Materialien und faire Produktionsbedingungen. Dies, und dass Ostertag seit Beginn der Berliner Fashionweek dabei ist, mag Kriterium für die Jury gewesen sein, ihn hier als repräsentativ auszuwählen. Seinen Kollektionen hat man eine gewisse Classe aber nie angesehen, so auch nicht dieser.

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Sogar das Wiener Unterwäsche-Label Miyagi setzt in erster Linie auf Nachhaltigkeit. Less-Waste ist der Begriff, der hier fällt. Die Wäsche ist weich und komfortabel. Gestalterisch schwanken die Teile eigentümlich zwischen Sexyness (Highwaist-Panties und Cut-Out Bras) und eher biederer Häkelapplikation sowie groben Formen.

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Rudolf, ebenfalls aus Wien, stellt “langlebige Stücke aus natürlichen Materialien her, die in Wien immer pflanzengefärbt werden.“ Also auch dieses Label stellt wesentlich heraus, „in punkto Ökologie, Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung neue Wege zu gehen.“ Gestalterisch sind die breiten Streifen auf den sehr schlicht geschnittenen Teilen allerdings durchaus attraktiv und kontrastreich, wenn auch in den farbigen Varianten eher gedeckt und zurückgenommen.

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Schmiede Bosslau ist ein Schmucklabel, das so heißt, weil der Werkstattvorläfer vor 7 Generationen eine Schmiede war. Dies zu wissen erklärt die teilweise rustikalen Rückgriffe des Designs parallel zur handwerklichen Faszination der Schmuckdesignerin für japanisches Kunsthandwerk. Handgemachte Maschinen, handgemachter Schmuck und Rohstoffe wie faires, recyceltes Silber, Gold und Messing sind auch hier eine nachhaltige Ausgangsbasis, mit der Susann Bosslau „einen bewussteren Lebensstil inspirieren“ möchte, der den Schwerpunkt auf die Bewertung perfekt unvollkommener Details, Qualität, Tradition und Handwerkskunst legt. Es gelingt ihr (teilweise), dieses Anliegen in eine ästhetische Qualität zu überführen, die über Öko-Touch hinausreicht. Dies, muss man einschränkend hinzu fügen, betrifft aber leider nicht alle Schmuckstücke: die kindischen Smiley-Herzchen wirken eher wie ein Verrat an dieser eigentlich anspruchsvollen Zielvorstellung.

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Aline Celi sucht sich auch in Paris einen Namen zu machen, dabei bedient sie allerdings eher konventionelle Geschmacksorientierungen. Dennoch gelingen ihr stets ein paar auffällige Akzente und sehr weibliche, akzentuierende Schnittentscheidungen, Musterapercus und kleine, kesse Wagnisse, die etwas herausstechen. Vorteilhaft ist, dass viele ihrer Entwürfe auch weniger schlanke Größen berücksichtigen und da auch funktionieren. Das abgebildete Kleid und andere sahen wir allerdings schon vor einem Jahr in ihrer Kollektion  – insofern gibt es da wohl nichts Neues für die Saison aw2021 zu berichten.

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Unterm Strich bleibt festzustellen, dass fast alle teilnehmenden Designer des DACH-Showrooms in Berlin Nachhaltigkeit (oder Weltbilder) als entscheidendes Wesensmerkmal für ihre Kollektion herausstellen. Die modische Gestaltung tritt hauptsächlich in den Dienst dieser Prämisse und es gelingt deswegen noch immer nicht, nachhaltige Mode aus dem Nimbus des „Alternativen“ zu befreien. Dabei belegt der Blick auf die Pariser Fashionweek sehr wohl, dass die Labels mittlerweile fast alle umgedacht haben oder zumindest im entsprechenden Wandel sind, ohne dafür den übergreifenden ästhetischen Anspruch aufzugeben.
Man kann vermuten, dass die hier gezeigten Labels den lokalen oder nationalen Raum nicht werden überwinden können und darauf setzen müssen, dass ihren Kunden die Demonstration ideologischer Ausrichtung wichtiger ist, als eine geschmacksgeprägte Umwelt mit optischer Attraktivität und der Freude daran.