Quartier 206 Fashionweek Berlin, aw2020, Friedrichstrasse
Bilder: Boris Marberg
Text: Gerhard Paproth
Auch diese Saison zeigten Designer der Boutiquen im schönen Quartier 206 in der Friedrichstrasse mit einem eigenen Showformat ihre aktuellen Kollektionen, in einem Reigen aus 13 Schauen in drei Blöcken. Vertreten sind kleinere, aber durchaus nicht unbekannte Atelier-Labels – vorwiegend aus dem Osten, besonders Polen, aber auch aus dem Westen.
Erfahrungsgemäß funktionieren die ästhetischen Neigungen im Osten nicht selten in Richtung Glitzer, der ruhig etwas kräftiger aufgetragen sein darf. Auch Sexyness darf dabei oft etwas vordergründiger erscheinen, doch in dieser Saison gab es in dieser Hinsicht nur eine kleine, eher etwas verlegen auftretende Einlage im Vorfeld des Catwalks, quasi ein Extra für Fotografen, danach war die frivole Offensive gegenüber früher deutlich zurückgenommen. Die östliche Provinienz war vertreten durch Gera Skandal (Russland), Silk Epoque (Polen), A. Gliwinski & M. Arlukiewicz (Polen), Basia Olearka (Polen) und Kowalove (Polen).
Aber auch andere Herkunft war vertreten, darunter Seyit Ares (Deutschland), Andrea Droemont Couture (Deutschland), Dina Pinto (Monaco), Aynur Pektas (Brasilien), Martin Appelt (Deutschland) und Agnes Wuyam (Frankreich). Wie letztere ist Aline Celi (Brasilien/Deutschland) eigentlich immer dabei und die Designerin eröffnete und beschloss die Schauenreihe auch wieder.
Einige Designer traten auch in der Fashion-Hall Berlin im selben Zeitraum auf, was dem etwas anspruchsvoller gewünschten Kontext im Quartier 206 vielleicht nicht unbedingt förderlich ist und ihn in etwas instabileres Licht rückt. Solche Beobachtungen erscheinen in einem Fashionweek-Veranstaltungsformat eher befremdlich. Aber die Berliner Fashionweek hat ihr Gesamtgefüge noch immer nicht schlüssig etabliert und da sind solche Merkwürdigkeiten wohl nicht auszuschließen.
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Die Eröffnungsschau von Aline Celi focussierte sich auf die Kombination von schimmerndem Schwarz und großen, floralen Mustern in Gold. Dies als Auslegung von „Herbst“ ist ein edler Gedanke, der von anderen, flatternden und glitzernden oder schimmernden Kleidern, die zum Teil auch an Art-Deco-Ästhetik erinnern, ergänzt wird.
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Seyit Ares aus Düsseldorf/Berlin brachte allerdings die Kultur des exotischen Funkelns auf den Punkt. Mit mutigen und innovativen Kombinationen führte er einen femininen Clubstil vor, der in seiner Konsequenz und Experimentierfreude zu einer Kollektion gelangt, die einerseits noch von zu deutlichen Einflüssen von Marina Hoermanseder (harte Corsagen, Schnallen, Riemen), in deren Atelier er gearbeitet hat, aber auch von J.-P. Gaultier geprägt ist. Seyit Ares formuliert seine Leitidee andererseits jedoch noch futuristischer, geradezu spacig und entwickelt damit eine eigenständige Konsequenz. Leder im Metallic Look, schrille Farben, funkelnde Oberflächen und körperbezogene Schnitte gestalten noch pointierter als Hoermanseder so etwas wie eine zeitgenössische Party-Queen mit Amazonen-Touch. Inwieweit ihm künftig eine Emanzipation gelingen kann, bleibt abzuwarten. Mit seiner Gestaltung zwischen Offensive und Eleganz als Spiegel des Zeitgeistes gelang dem Designer jedenfalls das Highlight der Veranstaltung, bunt, exzentrisch und extrovertiert.
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Eine Modeschau für Kinder zeigte Gera Skandal aus Russland. Der Designer ist auf diese Klientel spezialisiert und findet jede Saison eine neue, sehr eigene Leitidee der Gestaltung. Das war dieses Mal ein fantasievoller Exkurs in Märchen- und Zwergenwelten, wofür raffinierte Materialien, Schnitte und Kombinationen in erdigem Farbspektrum sehr überzeugende Ausprägungen fanden. Gelegentlich neigten die Gestaltungen schon zu theaterhaften Ausstattungen, aber die gleichzeitige Verbindung mit ökologischer Wirkung, praktischer Diesseitigkeit und sorgfältiger Verarbeitung machte die Arrangements zu spannenden, anspruchsvollen, wenn auch zum Teil etwas versponnenen Couture-Exemplaren. Folgerichtig schloss eine – etwas reduziertere – Version für junge Frauen das Panoptikum ab und bewies noch einmal die durchaus attraktive, marktfähige Prägung der Kollektion.
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Andrea Droemont Couture ist aus Köln und auf die handwerkliche Seite der Gestaltung gerichtet. Dabei bleibt das Label aber nicht in seinem Traditionsanspruch stecken sondern zeigt verschiedenste Möglichkeiten und Gestaltungen im zeitgenössischen Sinn, so dass die gezeigte Kollektion geradezu ein Panorama von Stoffen, Schnitten und Mustern vorführt. Recht stilbewusst kommt das alles daher, in sehr maßvoller und unaufdringlicher Extravaganz.
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Das Atelier Silk Epoque aus Polen von Olga Ziemann entstand aus Liebe zur Seide und konzentriert sich auf Gestaltungsmöglichkeiten mit diesem feinen Material und einer inzwischen erweiterten Palette, in der auch Spitze, Samt und Bourette vorkommen. Ausgehend von den sehr feinen und besonders strukturierten Materialien entwickelt sie ihre Oberflächenanmutungen, Muster und Schnittarrangements, sorgfältig-liebevoll im Detail. Sie sucht in eher klassischen Silhouetten neue Wirkungsmodifikationen und ein Wechselspiel zwischen klassischer Eleganz und verspielter Lebendigkeit. Dabei ist allerdings der eher schwache Anspruch an die Schnitte und Silhouetten nicht so vorteilhaft und wirkt eher bieder als chic.
Positiv erscheint uns noch erwähnenswert, dass hier keine Magermodell-Auswahl statt gefunden hat, sondern auch Kleine, Große, Kurvige, Junge und nicht so Junge vorführten, wenn auch leider immer todernst. Für die Wahrnehmung der femininen Konzepte ist das eine Bereicherung.