Berlin, MBFW aw2021, Kraftwerk
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Offizielles Pressematerial (MBFW) und Screenshots Liveshow
Es ist schon wunderbar, dass der Berliner Salon wieder belebt wurde und auch dass er als Installation real aufgebaut wurde. Mit der Filmdokumentation kommen ein paar Erläuterungen der Designer dazu, kurz eingeblendet in die Doku (früher stand der Designer für Fragen live daneben), aber die Verluste sind erheblich größer als genutzte Vorteile. Vorteil gegenüber einer flotten Schau war mit den Ausstellungen immer, dass man in großer Ruhe mit viel Zeit und detaillierter Aufmerksamkeit die präsentierten Stücke betrachten konnte. Das stark dynamisierte Dokufilmformat läßt sich dafür aber keine Zeit, jeder Designer bekommt vielleicht 10 Sekunden für eine Anschauung und nicht alle kommen zum Zuge, leider. Und das, obwohl der Rundgang durchaus hätte eine Stunde (im Gesamtprogramm) dauern können – anstatt 20 Minuten. Mit wenig echtem Interesse dokumentiert die Modepräsentation unnötig oberflächlich mit eher flüchtigen, auschnitthaften Blicken und man bleibt mit der Frage zurück, ob sich mit einer solchen Betrachtung der sorgfältige und ambitionierte Installationsaufwand gelohnt hat, den sowohl die Veranstalter als auch die teilnehmenden Designer dafür erbringen.
Bezogen auf den eher ideologischen Schwerpunkt der Fashionweek zeigt sich der ästhetische Anspruch der meisten präsentierten Designer eher gewohnt anspruchsvoll. Aus vielen Kommentaren geht zwar hervor, dass die Designer ihre Recherchen für ihre aktuelle Kollektion durchaus in Materialbeschaffenheiten und Verarbeitungstechniken suchen und weniger den visuellen Zeitbezug oder ästhetische Interessen in den Vordergrund stellen; sie lassen aber auch meistens keinen Zweifel daran, dass die eigene Stilistik die Entwürfe zentral bestimmt. Man muss sogar allgemein feststellen, dass Designer, die vorher eher rau und puristisch gestaltet haben, wie zum Beispiel Vladimir Karaleev, nun erkennbar mehr „goût “ in ihre gestalterischen Ausarbeitungen investieren, ohne die charakteristischen Leitideen zu verraten. Das ist vermutlich ein Kriterium, das das Bestehen im internationalen Kontext stärken kann. Zurück in Berlin sind Kaviar Gauche mit einer Präsentation, die Protagonistinnen haben durch ihre steten Teilnahmen an der Fashionweek Paris gelernt, wie nötig der anspruchsvolle goût in der konkurrierenden Branche ist. Dieses Charakteristikum ist offenbar noch entscheidender, als mit jeder neuen Kollektion etwas spektakulär Anderes herauszubringen als zuvor.
Die Vorstellung von Luxus liegt bei allen, traditionellerweise, in sorgfältiger und haltbarer Verarbeitung und hochwertigen Materialien, viel Kaschmir, Seide und aufwändigen Mixturen, woraus der Designer schon die Grundzüge einer gehobenen Ästhetik ableitet. Elegante Schnitte und kreative Gestaltungskonzepte ersetzt das aber keineswegs. Und an diesem Punkt bleibt offen, ob „deutsches Modedesign“ sich zu international konkurrenzfähiger Qualität aufschwingen kann oder ob das nur individuelle Labelchancen sind, da mitzuspielen, weil ihr individueller Style und Geschmack herausragen.
Allude:
Dawid Tomaszewski:
Diehm Bespoke:
Esther Perbandt:
Hannibal:
Horror Vacui:
Julia Leifert:
Kaviar Gauche:
Lala Berlin:
Lara Krude:
Marina Hoermanseder:
Maximova Jewelry:
Odeeh:
Peter O. Mahler:
René Storck:
Rianna + Nina:
Saskia Diez:
Sminfinity:
Steinrohner:
Vee Collective:
Vladimir Karaleev:
Working Title:
Abbildungen: Die großen Fotos (Solo-Mensch-Model) Pressefotos von MBFW,
die kleineren (mit Mercedesstern rechts oben) Screenshots von der Live-Doku im Netz.