Hyères 2018 – Accessoires mit Pfiff

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Zehn innovative Ansätze im Wettbewerb

Text und Bilder: Gerhard Paproth

Sie findet zwar stets auf engstem Raum statt, die Präsentation der Wettbewerber, die die Jury ausgesucht hat, das zwingt aber auch zu Nähe und sorgfältiger Betrachtung. Gerade für die Schmuckdesigner ist das vorteilhaft, denn Blingbling, das einen aus der Ferne anspringt, ist eher selten. Feine und poetische Entwürfe mit viel Liebe zum manuellen Herstellungsprozess und besonders eher ungewöhnliche Ausgangsideen prägen die Produktionen, handwerklich perfekt sind sie sowieso alle.

Aus sechs Ländern stammen die jungen Designer und Designerinnen, und das Ungewöhnliche, das ihre Arbeitskonzepte kennzeichnet, reicht von Naturverbundenheit (z.B. Claire O’Keefe & Eugenia Oliva) bis hin zu Umwandlung des Praktisch-Unschönen ins Bezaubernde (z.B. Kate Fichard, Flora Fixy & Julia Dessirier). Ausgeschrieben ist der Grand Prix Accessoires de Mode Swarovski, der besteht aus 15000 Euro Preisgeld und der Möglichkeit, ein Projekt mit Chanel’s Métiers d’art bis 15000 Euro zu realisieren. Das ist für einen Nachwuchsdesigner eine beachtliche Förderung.

Und da alle diese ziemlich innovativen Ansätze so verschieden in ihren Leitgedanken sind, erscheint es umso schwieriger, hier nur den bzw. die  einen oder anderen herauszustellen, Spitzenkandidaten zu küren sowieso. Wir zeigen sie darum alle.

 

 

Sari Räthel & Riccarda Wolf, Schmuckkollektion „Genau“, Deutschland
Erst auf den zweiten Blick und in getragener Erscheinung besticht die Idee der beiden Designerinnen, denn sie entwerfen ihren Schmuck direkt am Körper und auch jenseits der klassischen Kategorien. Heraus kommen zum Beispiel silbern gerahmte Fingernägel oder Umhüllungen des mittleren Fingerglieds. Für sich genommen bleiben die Schmuckstücke darum erst rätselhafte Kleinskulpturen, in der schmückenden Funktion entwickeln sie dann aber ihren eigentlichen Zauber.

 

Hyères 2018 - Accessoires mit Pfiff

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Claire O’Keefe & Eugenia Oliva, Schmuckkollektion „Keef Palas“, Spanien:
Aus den detailliert betrachteten Erscheinungen der Pflanzenwelt nehmen die Designerinnen Elemente, die nicht nur eigene ästhetische Qualitäten herausstellen, sondern auch repräsentativ für unsere assoziierenden Vorstellungswelten stehen können (Getreide, Blumen, Blätter, Knoblauch, Pfeffer etc.). Ihre Verwandling in ein Schmuckstück, und zwar original bleibend und nicht als Transferkopie, bedeutet eine Aufwertung, die dann zugleich auch ein weltanschauliches Statement darstellt. Natürlich ist die Nutzung als Ohranhängsel die naheliegende Verarbeitung für diesen Gedanken, wir sind neugierig, ob künftig auch andere Schmuckgenres mit diesen empfindlichen Originalen kreiert werden können. Die Verknüpfung einer ideellen Haltung mit Mode-Schmuck ist jedenfalls eine Herangehensweise, die konstruktiv über rein ästhetische Erwartungen hinausgeht und dabei eine ganz eigene Poesie entwickelt.

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Ildar Wafin, Schmuckkollektion „Öleshlär“, Finland:
Idar Wafin setzt Schmuck aus verschiedenen Elementen zusammen, so dass das Kombinierende sich deutlich zeigt, besonders Verschlüsse werden gerne akzentuiert gestaltet. Gold, Silber und Edelstein verbinden sich zu einer Einheit der Kontraste, auch der Gleichzeitigkeit von organisch weicher Gestalt und geometrischer Form – das alles sehr filigran und elegant.
Darin fühlt  Idar Wafin sich inspiriert von den Altmeistern der Postmoderne,  Ettore Sottsass und Cleto Munari, aber ursprünglich sieht der Designer seine Wurzeln in der Tradition seines Vaters, in denen seiner Landeskultur und in denen der Inspiration durch Natur.

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Jinah Jung, Taschenkollektion „Conshoesness“, Süd Korea:
Es ist eine exzentrische Idee, die sehr fasziniert: Aus Turnschuhteilen näht die koreanische Jungdesignerin Taschen zusammen. Es sind verworfene, eigentlich als Ausschuß deklarierte Prototypen eines modernen Turnschuhherstellers, die sie quasi vor dem Müll rettet. Das hochwertige Material ist auch gleichzeitig ästhetisches Material, das sie künstlerisch und handwerklich kunstvoll zu einem Taschenobjekt neu zusammen setzt. Die Taschen und der Koffer sind ein Feuerwerk gestalterischer Ideen und erweisen sich, wie die Künstlerin selbst vorführt, auch als sehr praktisch im Alltagsgebrauch. Als lustvoll-kreative Leistung waren diese Exponate der Renner unter den Besuchern.

 

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 Sara Emilie Terp Hansen, Taschenkollektion „CASC 8“, Dänemark:
Unsere Recyclingindustrie führt paradoxerweise dazu, dass im Nordwesten Indiens ein großer Teil der jährlich produzierten 78 Tonnen Plastik in die Landschaft entsorgt wird. Eine Frauengruppe hat daraus ein Projekt gemacht, den Pullutions-Müll wieder verwertbar zu machen. Aus den Plastiktüten produzieren sie feste Plastikfäden, aus denen wieder Stoffe gewebt werden. Aus diesen synthetischen Textilien schneidert die Jungdesignerin Taschenkompositionen modernen Stils, auch unter Verwendung grafischer Extras und attraktiver Muster. Ein Sozio-Öko-Projekt mit modischem Impetus.

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Kate Fichard, Flora Fixy & Julia Dessirier, Kollektion Hörgeräte-Schmuck „H(earring)“, Frankreich:
Eine wunderbare Idee, Hörgeräte in Schmuck zu verwandeln. Damit hat das Designerteam dann auch den 1. Preis des Wettbewerbes gewonnen. Üblicherweise erscheinen Hörgeräte im Alltag wenig attraktiv dank der nachgeahmten Hautfarbe und der Ausstrahlung eines Handicap-Appeals. Eine der drei Damen, ursprünglich Fotografin, ist hörgeschädigt und das führte zu dieser ungewöhnlichen Idee. Mit der Umgestaltung der Form und dem Oberflächenmaterial erzielten sie sehr elegante und hochwertig anmutende, auffällige Schmuckstücke, in den eben auch die hochwertige Technik verborgen ist.

 

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Ludovic Leger, Collection of bags „Recess“, Frankreich:
Der Designer hat mit seinen professionellen Erfahrungen als Mitarbeiter bei verschiedenen Luxustaschenherstellern eine eigene Kollektion entworfen, die die klassische Verarbeitung in mehrfacher Hinsicht zu überwinden sucht. Sehr ungewöhnliche Materialmixe, Kontraste der Oberflächen (z.B. Stickkunst und glattes Leder) und geschickt verborgene Öffnungen für unterschiedlich große Taschen in der Tasche machen das Erscheinungsbild bei näherem Hinsehen raffinierter als auf den ersten Blick.

 

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Romain Delamart & Flora Langlois, Schal-Kollektion „Belles Saisons“, Frankreich:
Die Kollektion ist das Ergebnis einer Forschungszusammenarbeit der beiden Designer. Gesucht waren neue Produktionsmethoden für einen atmenden und wärmenden Stoff ausgehend von Seiden-Twill. Verbunden mit einem tiefen, digitalen Flachbettprint (da haben wir leider nicht ganz genau verstanden, wie das vorzustellen ist) auf 10 Meter-Bahnen, der in Sektionen und wechselnden Mustern aufgebracht wird entwickeln die Musterentwürfe ein poetisches Eigenleben, das beim Tragen in Bewegung gerät.

 

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Cécile Gray, Schmuckkollektion „Initiale(s)“, Frankreich:
Zarte und transparente Gespinste, manchmal dicht, manchmal offen, bestimmen diese handwerklich ziemlich aufwändige Kollektion. Dünne Goldfäden , fast noch -drähte, verwebt die Designerin in aufwändiger Handarbeit zu halbflexiblen Geflechten, die man schmückend als zusätzliche Lagen über die Kleidung legt. Ursprünglich in der Architektur beheimatet wechselte Cécile Gray zur Mode, wo das Architektur-Prinzip quasi vorgehängter, fein strukturierter Fassaden so noch erkennbar bleibt. Ästhetisch reizvoll wird das Schmuckstück an sich durch das kombinierende Spiel mit gebundenen, regelmäßigen Gitter-Strukturen und angrenzender Offenheit derselben, Verdichtung und Streuung, Knoten und Löchern. Das verleiht den Stücken System und Poesie als Einheit.
Was anfangs mit der Transparenz als verfeinerte Sexiness erscheint, trügt etwas, es erweist sich eher als eine poetische Schicht, ein Hauch, der über Bestehendes drübergelegt wird – eine andere Sicht auf Schmuckfunktion im konventionellen Sinn.

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Inès Bressand, Taschenkollektion „Akamae“, Frankreich:
Hauptsächlich Stroh ist das Material, mit dem die Gestalterin in traditionellen Handwerkstechniken sehr praktische Taschen entwirft. Das einfache Material, dessen Verarbeitungstradition sie in Afrika näher kennen lernte, besticht als Geflecht durch seinen goldenen Oberflächenschimmer und noch mehr durch seine Beweglichkeit. Mit moderner Formgebung und kontrastierenden Materialien wird Stroh hier wieder aufgewertet und zu einer recht faszinierenden Eleganz geführt.

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