Berlin FWSS2018
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Graduate Show
Die Idee, die graduierten Absolventen der wichtigen Modeschulen in einer konzertierten Aktion zusammenzufassen ist sinnvoll, als Ergänzung zum offiziellen Programm der Mercedes Benz Veranstaltungen ist sie ein schönes Komplement. Umso mehr, als einige Schulen sich mit der Öffentlichkeitsarbeit gelegentlich schwer tun und sie so interessiertes Publikum und Presse versammeln können. Das Eisstadion Erika Hess ist zwar etwas voluminös für eine Veranstaltung solchen Rahmens, gleichwohl war die Ausrichtung recht professionell organisiert und realisiert.
Sieben Absolventen verschiedener Schulen stellten jeweils eine kleine Kollektion vor, manche davon hatten zwischenzeitlich schon weitere Meriten eingefahren, wie etwa Gesine Försterling mit ihrem Prix Chloé 2017 aus Hyères – ein Zeichen dafür, dass die Qualität der Schauen nicht zu verachten ist.
Philipp Brunner (Akademie für Mode Design in Berlin), Kollektion Homeland, war schon auf mehreren Fashionweeks unterwegs zeigte hauptsächlich Denimverarbeitungen mit großflächigen Designs, Figuren und groß akzentuierenden Applikationen.
Cecilie Schou Grønbeck (Kunsthochschule Weißensee Berlin). Ihre Kollektion war von interessanten Material- und Formmixen sowie Farbkontrasten geprägt, man sah auch experimentelle Kombinationen von Mustern. Dies auf durchaus geschmackvolle, vielseitige und gelungene Weise.
Gayane Hakobjanyan (Esmod) mit der Kollektion Acrophobia ist weniger an der Gestalt des Trägers interessiert sondern eher an experimentellen Schnitten und Raffungen – weit und eher auftragend.
Amar und Anaud Amgalanbaatar (Lette-Verein) präsentierten eine Schau namens Fast Future, fantasievolle Teile aus Kunststoffen mit Löcherungen und recht pfiffigen Applikationen. Unisex, bunt, raumgreifend und tatsächlich futuristisch.
Julia Thimm (Best Sabel Berlin) prägte ihre Kollektion Nightmare mit latexähnlichem Material und gelangte damit ebenfalls zu einer futuristischen Grundnote, ergänzt mit einer recht erotischen Anmutung, die sich aus dem eigenartigen Spiel zwischen der Körperbewegung und dem flexiblen Material ergab. Auch wenn hier der studentische Arbeitscharakter noch recht erkennbar war, ist das Prinzip schon reizvoll angelegt.
Alexandra Piesco (HTW Berlin) präsentierte aus unserer Sicht die herausragendste Arbeit. Die Kombination vieler verschiedener Materialien war sehr souverän und kenntnisreich gebaut und mit vielen Applikationen, Knöpfen Schnallen etc. interessant und beeindruckend ergänzt. Detailverliebt und fantasievoll einerseits und handwerklich rundum souverän andererseits addierten sich die vielen Aspekte zu nahezu neobarocken Entwürfen.
Gesine Försterling (UdK Berlin) zeigte mit Work großflächig, kraftvoll und zum Teil voluminös angelegte (Männer)Bekleidung, die mit differenzierten, farbig geschickt eingebrachten Akzenten und manchmal ungewöhnlichen Schnitten daher kam. Haptisches prägt die pfiffigen Oberflächengestaltungen zu Reliefs, die auch aus experimenteller Anwendung handwerklicher Möglichkeiten – Strick, Stickereien, Weben, Print – entstehen.
Sema Gedick (Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin) macht mit ihrer Kollektion Auf Augenhöhe Kleidung für kleinwüchsige Männer und Frauen. Das ist nicht nur Maßschneiderei, sondern als konfektionelle Produktion angelegt, der aufwändige Datensammlungen von Körpermaßen zugrunde liegen. Für die Gestaltung ergeben sich damit komplett andere Voraussetzungen – zum Beispiel bei der Proportionierung, die soweit gut und sachgerecht gelöst sind. Leider blieb dabei Fantasie und gestalterischer Pfiff auf der Strecke, gerade für eine solche Kollektion hätte man sich gewünscht, dass gewisse Extras im Gestalterischen auch positiv die Individualität(en) bereichern. Bleibt zu hoffen, dass die Designerin im nächsten Schritt auch das mit Bravour hinbekommt.
Pre-Fashion Week Show 2017 by Fashion Hall Berlin
Der zweite Abschnitt des Abends zeigte eine Zusammenstallung von Schauen, deren innerer oder thematischer Zusammenhang nicht klar wurde. Vorwiegend waren hier unbekannte oder wenig bekannte Labels und Designer aus Deutschland, Polen, Österreich und Ukraine mit ganzen Kollektionen zu sehen, die im Wesentlichen aber eher schlicht und bürgerlich daherkamen, teilweise mit vielen Retroanleihen. Das war eher brav als reizvoll. Femkit, JAP, Clara Kaesdorf, Mike Galeli waren einige der Namen. Lesia Semi aus der Ukraine eröffnete die Schauenreihe und startete mit angestrebter Eleganz. Transparenzen und zarte Farben mit viel Organza waren abwechslungsreich arrangiert – wenn auch eher etwas lässig und unkompliziert verarbeitet – und präsentierten damit ein sexy und sehr selbstbewusstes Frauenbild.
Lesia Semi
Sogar die Schau des erotisch gerichteten Labels Annomalia erwies sich dann als weniger spektakulär als erwartet.
Auch der Pre-Fashionweek bleibt zu wünschen, dass daraus eine Veranstaltungsinstitution wird und es den Initiatoren künftig besser gelingt, eine spannende Designerbeteiligung dafür zu gewinnen. Der Pool wirklich reizvoller Modeschöpfer, die sich zu entdecken lohnt, ist auch außerhalb der Fashionweek recht groß und muss nicht zweite Wahl suggerieren, insbesondere dann, wenn man auch international ausgerichtet bleibt und mutig ist.