YSL – Les fleurs d’Yves Saint Laurent

YSL –  Les fleurs d’Yves Saint Laurent

Ausstellung Musée Yves Saint Laurent, Paris

Bilder und Text: Gerhard Paproth

 

Wo immer Yves Saint Laurent und sein Lebenspartner Pierre Bergé gerade lebten, sie umgaben das Appartement, die Zweitwohnsitze und die Ateliers mit Blumen und Gärten, in der Flora fand der Designer eine Quelle unendlicher Inspiration. Diese Liebe teilte er schon als 15jähriger mit dem Schriftsteller Marcel Proust, dessen Schlüssel-Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ er immer wieder las.

Die Ausstellung stützt sich auf diese Bezugnahme, rund dreißig textile Silhouetten und Zeichnungen unterstreichen diese Symbiose zwischen der Arbeit von Yves Saint Laurent, Natur und Literatur – Zitate von Proust werden zu den Exponaten gestellt und spiegeln die sinnliche Leidenschaft gegeneinander. In Kleidern und Zeichnungen wird diese eine bestimmende Facette von der Persönlichkeit und dem Geschmack des Schöpfers vorgeführt: von der Fetisch – Droush von Christian Dior über die Anagram – Lilien seiner Initialen über die Rosen der Liebe, die Bougainvilliers von Marokko oder die Weizenträger als Glücksbringer.

Gezeigt wird das Thema anhand legendärer Stücke und Arbeitsanleitungen: die erste angewandte Stickerei des Frühlingskleides von 1962, die tollen Drucke der Spring-Summer-Kollektion 2001 mit Referenzen zu Gemälden von Bonnard und, nicht zu übersehen, der berühmte Entwurf Saint Laurents „Sommerbraut“ mit Laetitia Casta 1999.

Es ist klar, dass Yves Saint Laurent die Blütenmuster -und formen nicht für sich gepachtet hat, auch wenn sie besonders üppig und raffiniert herausgestellt werden, sie begleiten schon immer die Geschichte der Mode. Und von seinem verehrten Lehrmeister Dior hat er diese ausgeprägte Leidenschaft übernommen. Was aber hier in der Ausstellung besonders überzeugt, ist der stimmige Kontext, in dem Leben, Design, Kunst und Literatur in eins fallen.

Die Philosophie für Mode hinter der floralen Leidenschaft hat Yves Saint Laurent auch beschrieben: Wie Mode sind Blumen eine ephemere Erscheinung, oft kraftvolle Gewächse als Bouquet für einen Tag, und sie wie getrocknete Rosenblüten aufzubewahren ist nicht dasselbe. Genauso wie wenn die Kleidungsstücke die Mode überleben (wie hier in der Ausstellung), sind Geburt und Wiedergeburt die treffenderen Anschauungen, denn in der Erneuerung ruht das Mysterium der Inkarnation an sich. Und so versteht Saint Laurent jedes Blütenblatt als ein Ausdruck der momentanen Schönheit im Vergänglichen und jede seiner Kollektionen auch. Was bleibt ist also die reaktivierte Erinnerung, und zwar eben in demselben Sinn wie sie literarisch Marcel Proust in La recherche du temps perdu beschrieben hat, mit floralen Metaphern bei der Beschreibung seiner Protagonisten und ihrem Lebensraum. Das versucht die aktuelle Ausstellung in diesem Sinne zu kreieren.

Dabei verfährt die Ausstellung nicht zwingend chronologisch, zeigt aber doch verschiedene Entwicklungsschritte im Sinne des Themas auf:

Bal de Têtes: Für einen Maskenball im Hôtel Lambert von Baron de Alexis de Redé am 23 Juni 1957, wo darum gebeten wird, mit einer speziellen Maske oder Kopfschmuck zu erscheinen, entwirft der 20-jährige Yves Saint Laurent, Assistent bei Dior, diverse Studien mit Gouache auf farbigem Papier; Blumen, Federn und Blätter mit einem schon ganz dezidiertem Zeichenstil:

In seinen eigenen Kollektionen hat Yves Saint Laurent später immer wieder Bezug auf Dior genommen und diverse Hommagen an ihn kreiert, was verschiedentlich in der gesamten Ausstellung auftaucht.

Das berühmte Outfit für Laetitia Casta 1999:

 

Paris, das Studio. Es ist der zentrale Ort in der Avenue Marceau Nr. 5 während der dreißig Jahre. Es unterscheidet sich von der Grandezza der Salons und ist auf die praktische Arbeit ausgerichtet. Die Ausstattung bleibt klar, ruhig und neutral, die vielen dauernd benutzten Kunstbände haben inspirierende Funktion. Und ein großer Spiegel an der Wand gegenüber zeigt die Kleidung am Modell eben als Reflexion. Bevor die Zeichnungen in die Ateliers gehen, werden Test-Kleidungsstücke aus weißer Baumwolle gefertigt, die von einem Modell per Défilé im Raum vorgeführt werden, um die Schnittarchitektur zu vergegenwärtigen. (In der Galerie Dior können wir sehen, wie das vorzustellen ist.)
Sechs bis sieben Mitarbeiter unterstützten den Meister bei der Arbeit in diesem Raum.

 

Bekanntlich wurde Yves Saint Laurent nicht berühmt wegen der expliziten Verwendung floralen Designs sondern wegen vielfältiger Erneuerungen im Modedesign der 60er und 70er Jahre, nicht selten slandalös und revolutionär. Und auch der Bruch mit Dior war kompliziert. Alles das ist aber nicht Thema hier, auch der beschriebene philosophische Aspekt ist nicht DAS repräsentative Verständnis im umfassenden Sinne, sondern ein Beschäftigungsaspekt des Modeschöpfers, der eng in seinem Privatleben verwurzelt war und letzlich auch Ausdruck in seinem wichtigen Refugium in Marakech gefunden hat, welches bekanntlich im wohl weltweit schönsten Garten, La Majorelle, liegt.
Parallel, dies sei auch noch angemerkt zum Kontext, lebte er nach seinem Rückzug aus der Modearbeit auch in seinem normannischen Château Gabriel in Deauville, dessen Zimmer nach Figuren aus Marcel Prousts Romanzyklus À la recherche du temps perdu benannt waren.

Diese Ausstellung ist übrigens die Fortführung eines ersten Konzeptteils, das im gleichen Zeitraum (2 März 2024 bis 5 Januar 2025) im Musée Yves Saint Laurent Marrakech gezeigt wurde.

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Les Fleurs d’Yves Saint Laurent
Konzipiert von
Olivier Saillard et Gaël Mamine

Musée Yves Saint Laurent Paris 5, avenue Marceau, 75116 Paris

20.3.2024 – 4.5.2025