Berlin Fashion Week SS2025 – Telegraphenamt
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Tray erscheint neu auf der Berliner Fashionweek und präsentiert ein recht eigenes Verständnis zeitgenössischer Modeästhetik. Einerseits und recht zentral verfolgt es ein Upcycling-Konzept und andererseits recherchiert es in der Ästhetik der Modegeschichte.
Trey ist eine renommiertes Modehaus für Luxusunterwäsche der kambodschanischen Designerin Simmy Chhun, auch bekannt als Chhun Li Esim. Eröffnet wurde die Modenschau mit einem Tanz von zwei Mitgliedern des Royal Ballet of Cambodia. Damit verwies die Designerin auf kulturelle kambodschanische Traditionen, die man mit ihrem Design in Verbindung bringen kann. Das wird dann auch durchaus an den grazilen Erscheinungen ersichtlich.
Im Zentrum des modegeschichtlichen Exkurses steht allerdings die Renaissancemode, die sich in bestimmten Aspekten auch länger gehalten hat, nämlich mit den engen Bustiers, die in ihrer reichen Bestickung und ornamentalem Gepräge das modische weibliche Erscheinungsbild lange prägte. Die Gestalt des Bustiers unterstreicht einerseits den weiblichen Oberkörper, andererseits drückt sie die Brust platt und macht den Oberkörper mager und erotisch eher unattraktiv. Im 18. Jahrhundert suchten die Frauen diese Wirkung zu unterlaufen, indem sie den Ausschnitt ein wenig tiefer anfertigen ließen und sich einen Schönheitsflecken auf die Brust setzten, der den Blick des Gesprächspartners ablenken und irritieren sollte. Für die Epoche der Renaissance wäre so etwas natürlich ein undenkbares Manöver gewesen, Züchtigkeit, Zurückhaltung und stille Anmut prägten die Vorstellung der attraktiven und schönen Frau.
Auf diesen Epochengedanken scheint die Ready-To-Wear-Kollektion von Trey entstanden zu sein, denn trotz aller Faszination der schönen, handbestickten, mit aufwendigen Verzierungen und Kristallen verzierten Teile und der viel übrig lassenden Haut erteilt das Gestaltungskonzept dem heutigen sexuellen Selbstverständnis eher eine Absage als eine Ermutigung zur Kraft des Frauseins. Damit erscheint die Präsentation wie ein fader Abgesang auf den erotischen Aspekt von Fashion. Magere Models mit melancholischen Gesichtern führen langsam schreitend verdünnte Corsagen und reduzierte Kleidungsschnitte in vorwiegend fahlen Farben (Nude und Weiß) vor. Das modische Gesamtkonzept sieht die Bustiers wenig im Körperbezug, sie sind eher aufgesetzt. Es gibt sogar demonstrativ hohle Schalen oder trennende Kleidung darunter. Mit den eher geradlinigen, schmalen Silhouetten wird zusätzlich ein Gedanke an Androgynität bedient, eine bewußte Zurücknahme weiblicher Eleganz oder Kraft. Und die schönen Bestickungen erscheinen eher als luxuriöses Art pour Art.
Aufgelockert werden die beherrschten Silhouetten gelegentlich dann doch durch wehende Röcke aus feinen Stoffen beziehungsweise weite Hosen und die Einfarbigkeit auch mal durch Pastellfarben. Insgesamt jedoch ergibt sich aus der formalen Nüchternheit eher eine betonte, edle Zurückhaltung, die die Kollektion bestimmen soll – wenn man das Rekurrieren auf Renaissance auch mal positiv ausgelegt verstehen will. Es entsteht eher eine körperunabhängige, eigenwillige Eleganz der Teile für sich.
Unterwäsche als Oberbekleidung ist seit den 80er Jahren nichts Neues mehr, dazu zählen auch aufgesetzte Bustiers. Allerdings ging es dabei stets um eine Erotisierung des Outfits. Dieses Anliegen wurde in der Kollektion von Trey jedenfalls negiert. Als modisches Statement zur Gegenwart überrascht das etwas.
Upcycling, so zeigen die letzten Berliner Fashionweeks, kann ein wunderbares Verfahren sein, vergangene Ideen und gebrauchte Materialien zu neuen Aspekten und zu neuem Glanz zu bringen, auch ganz ohne nostalgisch zu agieren. Aber auch das Wiederbeleben modehistorischer Erscheinungen kann Gegenwartsmode durchaus erfrischen und aufwerten, nicht jedes Revival ist billiger Aufguss. Und was luxuriöse Handarbeit betrifft, wie in diesem Fall, ist jedes Wegwerfen ein Frevel. Insoweit liegt das Modehaus durchaus richtig und überzeugend. Inwieweit jedoch ein Rückgriff auf die Renaissance unserem Zeitgeist einen neuen Kick zu geben vermag, ist zumindestens fragwürdig, sogar für eine eher konservative Haltung eines Unterwäscheherstellers.
Ein Hinweis auf ästhetische Kultur, die man erhalten sollte, ist immer gut und kulturhistorisches Verständnis auch. Das Hochhalten luxuriöser Handarbeit ist wertvoll. Leise Eleganz sollte auch nicht hinter dem lauten Modetreiben verschwinden müssen. Aus dieser Perspektive gewinnt die Kollektion von Trey jedenfalls den ihr eigenen Reiz.