MBFW aw 22, Kraftwerk
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Schon in den vergangenen Saisons lud die Mercedes Benz einen Sieger des vorhergehenden Hyères-Festivals für die Eröffnungsveranstaltung der offiziellen Fashionweek-Veranstaltungsreihe nach Berlin ein, für aw 2022-23 ist das die Gewinnerin des (neuen) Preises „Mercedes-Benz Eco-Responsible Collection Award“. Mit der Schau hat die Jungdesignerin aus Helsinki ihre Kollektion etwas erweitert unter Beibehaltung ihres gestalterischen Grundprinzips. Das besteht wesentlich aus parallel repetierten Schlaufen- und Knopfleisten, die Formvarianten zulassen und zugleich die ästhetischen Gefüge bestimmen. Grundlage des Denkens, daher auch der Preis, ist das ökologische Arbeitsethos, Schwerpunkt der Stilistik eine stark romantisierende, entfernt auch mal Countrylife assoziierende Ausstrahlung. Das gelegentliche Bauschen der Röcke vermittelt zwar etwas Plastizität, ansonsten blieb die Anmutung aber eher etwas flach. Und während die systematisch ordnenden Bänder eher eine strenge orthogonale Regelmäßigkeit vorgeben, gelingt es mit dem Gesamtschnitt zunehmend besser, den Silhouetten und den Gliederungen die erforderliche Weichheit und Lebendigkeit zu vermitteln. Besonders bei den Oberteilen sind dadurch sehr schöne und eigenwillige Gestaltungen entstanden, gerade bei den neu zu der Hyères-Kollektion hinzugekommenen Kleidern, was ein echter Gewinn und Fortschritt ist.
Ausserdem sind zu den eher gedeckten oder lichten Farben nun auch Schwarz und Weiß hinzu getreten, die der Ausstrahlung auch eine deutliche Portion straighterer Eleganz mitgeben. Auch Körper bzw. Taillenbetonungen tragen erheblich zur Gestaltmodifikation bei, im Gegensatz zu den sehr schlichten und A-förmigen Silhouetten, die zwar bequemen Bewegungsspielraum bieten, aber auch eine gewisse Bekleidungspragmatik assoziieren, die der Ökomode imagemäßig oft eher geschadet als genützt hat.
Es hat sich also gelohnt, die Kollektion mit viel Gestaltungsfeeling attraktiv auszubauen und damit den Erfolgsstart ästhetisch zu unterfüttern.
Und natürlich zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass die französische Strategie der Nachwuchsförderung ziemlich effektiv ist, auch was das ökologische Ethos betrifft, während hier in Deutschland lieber die Diskussionen zu kreisen scheinen und die Gesamtperspektive effektiver Förderung aus dem Organisationsfocus gerückt zu sein scheint. Dieses Problem betreffend hat die Berliner Modeinstitutionalisierung noch immer keinen klugen und geradlinigen Weg gefunden und vielleicht wäre es gut, diese Eröffnungsschau zum Anlass zu nehmen, mal darüber nachzudenken, warum in Frankreich etwas dabei heraus kommt und hier nicht.