Paris Fashion Week – Spring/Summer 2019 – Prêt-à-porter
Bilder und Text: Gerhard Paproth
Wir starten den zweiten Tag unseres Showroom-Spazierganges auf der Pariser Fashionweek SS2019 beim FIND-A-NAME-Showroom, eine Art Galerieinitiative der in Paris ansässigen Agentur gleichen Namens, die sich als beratender Mittler für den kommerziellen Vertrieb internationaler Modemarken versteht. Die Palette der vertretenden Modedesigner ist zwar stilistisch wenig spezifisch, im Prinzip finden sich da aber mutige und eher ungewöhnliche Gestaltungsrichtungen, die meist schon recht exklusive Geschmacksorientierungen ansprechen und den jungen Zeitgeist etwas dezidierter formulieren.
BERHASM
ist ein Moskauer Label mit auch typisch russischem Gegenwartsdesign. Es wurde dieses Jahr als ein Mode- Kunst- und Musikkollektiv von Beso Turazashvili gegründet – einem Digitalclub, wo der Markt der Straße auf Techno treffen soll. Er versteht sich also als eine Art moderner Underground und entsprechend rau und provokativ ist die künstlerische Gestaltungslust der Protagonisten. Was seit Zappas 60ern im Westen längst zur kulturgeschichtlichen Epoche einer Jugendrevolution des Westens abgehakt ist, lebt hier wieder auf und ist so frisch und lustvoll wie seinerzeit. Schon die Instagram-Webseite zeigt, wo es hier langgeht.
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BRACHMANN
Inspiration für die Sommerkollektion 2019 war das von Frank Lloyd Wright entworfene Johnson-Gebäude, ein Beispiel für die stromliniengeprägte Formensprache des New Style der amerikanischen 30er und 40er Jahre und u. a. berühmt für die filigrane Säulenarchitektur. Brachman beschreibt entsprechend die Kollektion als „verspielt-minimalistisch, die von der zarten Stärke, filigranen Kontur und minimalistischen Opulenz dieser Architektur inspiriert ist“. Formengestalt, Materialwirkungen und Farbstimmungen hat Brachmann in der ihr eigenen Strenge zum Teil direkt zu transponieren versucht – insgesamt wirkt die Kollektion damit weniger hart und verschlossen als solche der Vergangenheit. Was vielleicht dem vorbildlichen Einfluss der subtilen Architektursprache Frank Lloyd Wrights geschuldet ist.
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DOLLY AND MOLLY
ist ein japanisches Label aus Tokyo mit dem Anspruch, bekannte Stereotypen bzw. Gewohnheitsbilder aufzubrechen. Es ist beeinflusst vom Geist des Punk und rebellischer Jugendkultur „anti-social, deconstructive and rebellious souls seeking for break-through in complex and unstable reality we are living in.“ (Selbstbeschreibung) Das Designerteam verzichtet auf Sinn- Luxus- und Schönheitskriterien, zeigt sich stattdessen ausdrucksvoll, launig, frisch und auf junges Publikum gerichtet. Es transportiert den leicht abgedrehten, zeitgemäßen Tokyo-Style, der gerne verrückt, auffällig und kreativ auftritt und in dieser Hinsicht mit einer erfrischenden Vielfalt aufwartet.
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FAKBYFAK
In Anlehnung an Alain Mikli als Modemarke für Brillen hat sich FAKBYFAK (ehemals Fakoshima) als russisches Konzept-Label etabliert und arbeitet mit international renommierten Designern zusammen (so wie hier z.B. mit Walter van Beirendonck aus Belgien). Die Brille als Persönlichkeitsmerkmal und als kreatives Produkt verstanden, finden wir, ist immer noch ein unterrepräsentiertes Accessoire, obwohl es wirklich gute und originelle Beispiele gibt, wie auch hier.
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IOANNES
Auch Ioannes sucht durch überraschende Kombinationen des Unzusammengehörigen neue Reize zu evozieren. Der deutsche Designer Johannes Boehl Cronau focussiert sich dabei auf formale Reduktion und flaue Farbgebung und möchte trotzdem erzählerisch gestalten. Pfiffig sind die verlängerten Handschuhe, die auch über die Kleidung gestreift werden und oben, dank eines Gummizugs, zu Stulpen aufgebauscht werden können; zum Beispiel über einer Jacke.
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IDISM
Vom zeitgenössischen Ideal des gesunden Lebens geht die Kollektion des Nachwuchs-Labels aus, nämlich auf Basics reduzierten Lifestyle, der sich auf Geist und Körper besinnt. Sie versucht einen Zukunftsentwurf zu kreiieren, der sich einerseits aus klassischen Elementen weiterentwickelt und andererseits hybriden Lifestyle mit Schönheitsbewußtsein verbindet. Schlicht, sportlich und urban präsentiert sich also dieser Anspruch.
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LAROOM
ist ein spanisches Label, das nicht nur Mode produziert, sondern alle möglichen Designartikel des alltäglichen Lebens. Ein wenig Folklore, ein wenig Romantik und ein wenig Glamour enthält die präsentierte Kollektion sowie auch etwas geradlinige Sportlichkeit. Designerische Prägnanz ist eher etwas zurückgenommen.
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LAUTEM
ist ein spanisches Label für luxuriöse Accessoires, die mit äußerst sorgfältiger Handarbeit gefertigt werden. Klarheit, sichtbare Perfektion und ausgewogene, geometrische Proportionalität kennzeichnen den Anspruch, Frauen einen modernen und kompromisslosen Style zu vermitteln.
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RUBAN
ist ein Label, das schon 2010 von den Schwestern Alice und Julia Ruban gegründet wurde. Das russische Duo hat seitdem bereits mehrere relevante Preise gewonnen und sucht seine Inspirationen in allen Bereichen der Mode. Entsprechend verschieden sind die vorgeführten Gestaltungsansätze. Auffällig erschienen uns die mutigen Überlagerungen verschiedener Stoffe und Oberflächengestaltungen, die Sexyness klassischer Abend- oder Cocktailkleider sowie die sehr weiblichen Schnittversionen bei klassischen Stücken.
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SEEN USERS
Das Newcomer Label wird auf Erfolgskurs gehandelt (vgl. ELLE) und präsentiert tatsächlich spannend-innovative Ideen. Es gibt meistens eine Ausgangsidee, in diesem Falle die Leben königlicher Charaktere, deren Bekleidungscharakteristika dann im Sinne eines modernen Stylings uminterpretiert werden. Die Kleider der Romanovs, Haushälterinnen und Krankenpflegerinnen der Edwardian Ära beispielsweise oder Prinzessin Dianas „La Bayadere“ (1988) oder Märchenwelten (Andersens „Des Kaisers neue Kleider“) und so weiter. Nicht selten werden das interessante Kombinationen aus Früher und Heute, die lustvoll und einfallsreich etwas Neues zaubern.