Paris Fashion Week – Spring/Summer 2019 – Prêt-à-porter
Bilder und Text: Gerhard Paproth
Circa 5000 Designer *) haben sich auf der Paris Fashionweek ss2019 präsentiert, wohl etwa 500 Showrooms *) hatten den größten Anteil daran. Denn die Défilés sind sehr teuer dort und nur die allerwenigsten können sich eines leisten. 400 Presseanmeldungen wurden bei der Fédération de la Haute Couture et de la Mode registriert, entsprechend groß ist der Run der Fotografen und Schreiber auf die Schauen. Medial völlig unterrepräsentiert sind die Showrooms, die zum Teil zwar großartige Sachen zeigen, sich aber letztlich eher für’s Kommerzielle ausrichten als für weiterreichende Präsenz.
Während also die große Meute an Pressevertretern zu den großen Schauen von Balmain zu Chanel und zu Dries van Noten hechelte, entschlossen wir uns, ein paar Spaziergänge durch die Showrooms zu machen und dort Ungewöhnliches bzw. Neues zu entdecken. Für die fotografische Dokumentation ist das schwieriger und weniger anschaulich, aber dennoch den einen oder anderen Blick wert.
Start unserer Besuche war der offizielle Showroom der Fédération de la Haute Couture et de la Mode, DESIGNERS APARTEMENT. Zehn ausgesuchte Designer aus Frankreich werden dort jede Saison vorgestellt – im repräsentablen Palais de Tokyo.
ARTHUR AVELLANO
kommt eigentlich aus der Kunstszene Toulouse und hat Mode als sein bestes Medium als Design-Beitrag entdeckt. Die Arbeit mit Latex entfernt sich entschieden vom klassischen Garderobenarsenal und positioniert Kleidung an die Schnittstelle zwischen Objekt und Materialität. Mit der sexuellen Anspielung geht die Haltung des unverfrorenen Auftritts einher, der in den Alltag versetzt wird. Diese explizite Konnotation (und der spezifische Oberflächenglanz) von Latex geht noch ein wenig über das schon leicht offensive Material Leder hinaus, gleichzeitig „normalisiert“ das Design die Erscheinung.
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BOYAROVSKAYA
wurde 2016 in Paris von Maria Boyarovskaya und Artem Kononenko (Modefotograf) gegründet. Dekonstruktivistische Schneiderkunst mit feinen Materialien führen sie auf ein minimalistisches Konzept zurück und verbinden dabei geometrische Schichtungen mit eleganten Proportionierungen und kleinen, pfiffigen Akzenten.
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CLARA DAGUIN
ist als Französin im Silicon Valley aufgewachsen und will die Beherrschung hochwertiger, perfektionistischer Handarbeit im Zeitalter aufkommender Hochtechnologien verankern; die gestalterischen Formulierungen spiegeln genau diesen Balanceakt wider.
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DAWEI SUN
hat zunächst bei John Galliano und bei Balenciaga gearbeitet sowie als artistic director bei Cacharel, bevor er zunächst „Belle Ninon Paris“ und 2016 „Dawei“ gründete. Der gebürtige Chinese hat diverse Preise (u.a. „nouveaux talents de la mode“ bei ELLE) gewonnen und stellt mit diesem Label seine fünfte Kollektion vor. Ungewöhnliche, manchmal ausladende Formgebungen, große Gesten im Schnitt und gestreifte Muster und Strukturen kennzeichnen den asiatisch angehauchten Stil.
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GNDR
versteht sich als ein gender-loses Label und nicht nur als Modedesign sondern auch als gesellschaftliches Statement. Victor Russo und Louis Bastelica sind das kreative Duo hinter dem Pariser Modelabel. Häufig kennzeichnen aufgedruckte bzw. -gemalte Schriftzüge als Parolen und handgemachte Akzente ihre Kollektion “Dear Agnès”. Die Schnitte sind betont schlicht und neutral, harte Kontraste und das Farblose sind Programm.
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KENTA MATSUSHIGE
arbeitet mit japanischen Ästhetizismen: klar, minimalistisch, sauber und mit scharfen Schnitten. Entsprechend perfektionistische Verarbeitung wird zum visuell erlebbaren Merkmal. 2014 war der Designer Preisträger des Festivals de mode et de photographie in Hyères.
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MAZARINE
ist Hélène Timsit und Quentin Poisson. Die Kollektion ist sehr behändig gefertigt und wirkt maßgeschneidert. Die Silhouetten sind inspiriert von unbekannten Epochen und undefinierten Orten, ihre Ausstrahlung enthält damit, trotz der sehr diesseitigen Konkretion, einen etwas mystischen Touch.
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NICOLAS LECOURT MANSION
startet das Label erst seit Beginn 2018. Die Kollektion ist bestimmt von dem, wie Kleidung im 21. Jahrhundert aussehen müsste und hat entsprechend technischen Entwurfscharakter, ist zugleich aber auch faszinierend in der Gegenwärtigkeit der utopischen Erscheinung. Obwohl genderunabhängig konzipiert, gelingt es der unkonventionellen Gestaltung ein starkes Maß an Sexyness zu vermitteln.
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PROÊMES DE PARIS
wurde 2014 von Marion Gauban Cammas und Ulysse Meridjen gegründet. Trotz der kontraststarken, teilweise ungewöhnlichen Muster ist die Gestaltung sehr ausgefeilt und elegant, geradezu erlesen. Die Designerin arbeitet außerdem mit nachhaltigen Stoffen aus kunsthandwerklicher französischer Produktion.
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QUOÏ ALEXANDER
bietet sicher die faszinierendsten Arbeiten mit seiner Kollektion an. Er bringt Erfahrungen aus großen Modehäusern (Chanel, Alexander MCQueen, Sonia Rykiel) mit und erarbeitete Looks für große Stars (Naomi Campbell, Beyonce, Tilda Swinton u.a.). Jedes Stück ist von großer Delikatesse in Material, Oberflächenbeschaffenheit und handwerklicher Verarbeitung und die Schnitte sind stets ungewöhnliche Kreationen. Obwohl der kalifornische Designer schon diverse Auszeichnungen gewonnen hat, ist er für uns definitiv die Haute-Couture-Entdeckung im „Designers Apartement“.
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SAVOAR FER
Abgeleitet von savoir faire ist dieser Label-Name der schweizer Designerin Eliane Heutschi Programm. Sie überträgt ihre Faszination für traditionelle Handwerkstechniken, schwere Stoffe und kraftvolle Ausstrahlungen in zeitgenössische Gestaltungskonzepte mit unkonventioneller Anmutung. Sie hat zuvor zwei Jahre mit Lutz Huelle gearbeitet, entsprechende Parallelen kann man entdecken.
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Das DESIGNERS APARTEMENT im Palais de Tokyo liegt ein paar Stockwerke über den Dächern von Paris und hat eine Terrasse mit wunderschönem Ausblick links auf den Eiffelturm und geradeaus auf die hohe Architektur des rechten Seineufers im 16. Arrondissement.
*) Datenquellen unbekannt. Genauere Recherche bislang ergebnislos. Wir korrigieren, wenn wir mehr wissen.