Berlin, Mai 2025 – Soho House Berlin
Fotos: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Das Label Selva (Selva Huygens) agiert mit seinen Schöpfungen an den Schnittstellen zwischen Mode, Industriedesign und Bildender Kunst und sucht den fantastischen Aspekt dabei als das besondere Faszinosum heraus zu stellen. Schon die Art der Schau wird in diesem Zwischenbereich angesiedelt, mit Performancecharakter, mit herumliegenden und zu Sitzmöbeln modifizierten Fundstücken modernen Autodesigns und mit innovativer Bekleidung. Alle inspirierenden Ansätze aus den Kreativbereichen begleiten die Wahrnehmung dessen, was hier als Mode vorgeführt wird und was der Designer für sich als moderelevant beansprucht.
In diesem Sinne wählt der der Künstler den Performancecharakter für die Schau, indem eingangs eine Tänzerin von zwei Helfern mit Bruchstücken aus dem Autodesign und anderen Industriematerialien bekleidet wird, die mit industriellen Verbindungen betont collagiert sind. In dieser Verwandlung beziehungsweise Transformation entsteht prozesshaft aus Fundstücken so etwas wie ein Schutzpanzer am Körper mit zunehmendem Glanz, ein modisches Erscheinungsbild.
In der Folge besetzen weitere Modelle wechselnd verschiedene Stellen im sich zunehmend definierenden, quasi designten Raum.
Das Industriedesign im Konzept dokumentiert sich in Form moderner Autoteile, die, aus ihrer ursprünglichen Funktion herausgelöst, die dynamische Ästhetik der Gestaltung bestimmen und sie mit weiteren, glänzenden Verbindungselementen in futuristischer Prägung steigern. Der Transfer dieser ästhetischen Versatzstücke kann zu Bekleidung genauso realisiert werden wie zu Designer-Mobiliar beispielsweise, das in Form von Stühlen auch zu sehen war.
Die Mode als herausgestelltes Thema versteht sich nun als designte Hülle, die auf die Funktion des Bekleidens ausgerichtet ist. Dabei werden alle Varianten von passgenau auf den Körper geschneiderten, weichen Materialien bis hin zu sperrigen, harten und aufgesetzten Eigenformen durchgespielt und zusammengeführt.
Die Kreation mit allen diesen Aspekten führt zu einer wirklich gelungenen Modeästhetik, die nicht nur stimmig daher kommt sondern auch mit ihren fantastischen und rasanten Auswüchsen fasziniert. Die skulpturale Herangehensweise mit subtilem Materialbewußtsein ist zugleich künstlerisch und modisch körperbezogen angelegt und dabei von einer Sexyness geprägt, die hin und wieder auch an Stilismen von Namilia und vergleichbare submodische Orientierungen denken läßt. In dieser sinnlichen Grundlage liegt das entscheidende Finish der gezeigten Kollektion, sie macht auch das Sperrige zum erotischen Element und ungewöhnliche Materialien und Verbindungen zu glanzvollen Sinnlichkeiten. Und zugleich ist diese Sexyness Teil der gegebenen Provokation.
Schwarz, Weiß und Rot in Verbindung mit Chromsilberglanz (und Transparenz) sind die folgerichtige Farbwahl, kurvendynamische Silhouetten und Formkombinationen gestalterische Notwendigkeiten. Im Spiel zwischen tragbar und untragbar bleibt die Tragbarkeit noch dominant, besonders gutes Beispiel sind die Schuhwerke, wo die fantasievollen Übertreibungen der formalen Auswüchse normales Laufen vielleicht beeinträchtigen können, den stolzierenden Gang aber befördern.
Die Pressemitteilung schreibt: Selva Huygens ist eine in Berlin ansässige nachhaltige Marke, die weggeworfene Autoteile, Metallhardware und industrielle Abfälle in funktionsfähige, tragbare Kunst verwandelt. … Die Marke hat die Aufmerksamkeit von Top -Stylisten und Kreativen auf sich gezogen, darunter Lady Gaga, Jared Leto und FKA Twigs und etabliert sich als wahrer Trailblazer in Kunst und Mode. Das Interesse im exzentrischen Showbusiness verwundert nicht, denn unterm Strich ist die Kollektion von Selva mit allen ihren Implikationen nicht nur attaktiv schillernd sondern sehr offensichtlich ein gutes Beispiel für avantgardistisches Modeverständnis, radikal, konsequent, dynamisch, sexy und fantasievoll in der Ausführung und zugleich ein guter Audruck dafür, wie man Mode, Industriedesign und Kunst als einheitlichen Leitgedanken verstehen kann.