Berlin Fashion Week SS2026 – The Cank Berlin
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Ästhetische Vorschläge, wie Streetwear im europäischen Sinne neu aufgestellt werden könnte, gibt es ja nicht wenige, in der Überzeugungskraft und vor allem in der Durchschlagskraft führen die erdachten Vorstellungen aber nur bruchstückhaft und sehr langsam zu innovativen Standards. Ein einheitliches Bild führt das Label sample030 von Designer Ruben Jai vor.
Die geschickte Zusammenführung von Streetwear-Ästhetik mit Anti-US-Mainstream und Upcycling findet hier zu einem eigenen Stil, der vormacht, welche Gestaltungsmodi ein wirkungsvolles Bild prägen können. Ganz frei von eher unattraktiven und gewohnten Elementen wie Flecktarn, Kaputtmachen und ungewöhnlichen Längen schlecht sitzender Hosen sind viele Looks zwar nicht, die muss man wohl als „Basics“ verbuchen, aber ihre Aufbereitung und der innovative Reichtum in einem geschmacklich schlüssigen Gesamtkonzept ist wirklich bemerkenswert.
Grundlegende Herausforderung für Streetwear – als Anti-Konzept – ist es ja, Häßlichkeiten attraktiv zu machen, ihnen die spannende Reize abzugewinnen, die meist erst auf den zweiten Blick erkennbar werden. Und die weitere ist es, in der Zusammenstellung der verschiedenen (neuen oder übernommenen) Codes eine ästhetische Einheit zu kreieren. Beides gelingt sample030 sehr überzeugend, umso mehr als auch spezifische Berliner Trends dabei zum Tragen kommen. Denn besonders diese sind es, die den Anti-Mainstream bewußt prägen.
Nicht von ungefähr fand darum die Schau auch in einer rauen Lagerhalle mitten in Neukölln statt, im The Cank Berlin, im wohl roughsten urbanen Umfeld, das Berlin aufweist. Die gezeigte Kollektion war dann auch bruchlos die entsprechende Veredlung dieses Ambientes und machte ihrem Namen Ghetto Express alle Ehre. Dabei verzichtet der Designer weitgehend auf den Rückzug auf „Berliner Schwarz“ oder auf billige Schlagwortprints, im Gegenteil, die Farbigkeit zwischen Unbuntem und verschatteten Farben – zum Beispiel oliv oder verblichenes Jeans-Graublau, Beige und Erdfarben – erzielt oft unerwartete Akzente, ohne laut zu werden. Auch die Schnitte und Architekturen und die Printakzente verzichten weitgehend auf auffällige Übertreibungen oder Stilbeharrlichkeiten und behalten trotzdem den Touch des Ungewöhnlichen. Dasselbe gilt ähnlich für die anderen Gestaltungsaspekte wie die Materialmixe, den Umgang mit Upcycling, das dekorativ Undekorative, die Stilbrüche – alles ist da aber nichts ist aufdringlich oder „gewollt“.
Im Endeffekt gelingt Ruben Jai etwas sehr Ungewöhnliches, nämlich annähernd so etwas wie eine Eleganz der Anti-Ästhetik. Die, traurigerweise, findet allerdings doch noch einen Bruch: Das durchgehend entsetzliche Schuhwerk. Diese geschmackliche Bösartigkeit ist zu radikal, die läßt sich wohl nie und nirgends ästhetisch aufwerten sondern gehört verboten.