Richert Beil SS24 – Vater, unser

Richert Beil SS24 – Vater, unser

Berlin Fashion Week SS2024 – Leibnizstrasse

Bilder: Andreas Hofrichter

Text: Gerhard Paproth

 

Bisher waren die Schauen von Richert Beil sehr performancehaft konzipiert, oft düster und etwas mystisch-symbolisch geprägt, kontrovers diskutiert und damit auch geliebte Veranstaltungen für sehr treue Fans. Dieses Mal, nach langer Pause, war der Schaucharakter konventioneller.

Die Modelle absolvierten die Laufstegstrecke allerdings immer noch langsam schreitend, das setzte der gewohnten Hochdynamik üblicher Schauen eine angenehme Ruhe entgegen und richtete den Blick unverstellter auf die gestalterische Prägung. Die ist ausserordentlich klar und fühlt sich noch sehr der Dekonstruktion verpflichtet – ganz Berliner Tradition also, hier den sozialkritischen Background sehr deutlich in die Gestaltung einbeziehend. Tradierte Kleidungsstücke klassischen Zuschnitts werden infrage gestellt, indem sie neu oder umformuliert werden, Kravatten ad absurdum genutzt, Materialien widersinnig verwendet, Elemente zerschnitten und deplaziert angepasst, Lücken aufgetan beziehungsweise belassen, Hosenformeln neu erfunden und vieles mehr. Dazu, im Sinne des Kollektionstitels, bruchstückhafte religiöse Formeln in Fraktur aufgestickt und -gedruckt, die Labelinitialien symbolisch verbrämt – so ganz erschließt sich die Religionsironie allerdings nicht.

Insofern setzt das Designerduo Jale Richert und Michele Beil durchaus konsequent seine modische Visualisierung gesellschaftskritischer Ansichten fort, auch wenn das gelegentlich inhaltlich etwas oberflächlich anmutet. Mit der dekonstruierenden Referenz auf klassisch-elegante Traditionen in der Bekleidung rückt allerdings die gestalterische Form stärker in den Blick, und die überrascht etwas mit einer sorgfältig anmutenden Ästhetik. Das ist immerhin ein angenehmes Zugeständnis an die Betrachtungsfreude und vielleicht auch ein Überwindungsschritt weg von der Berliner Antiästhetik, die schon längst keinen Spass mehr macht – den Designern vielleicht auch nicht.
Vor weit über einem Jahr ist Aldi aus der 60er-Jahre-Location ausgezogen und es ist die erste Zwischennutzung des unrenovierten Raumes, wer weiß, ob damit auch noch ein hintersinniger Verweis auf deutsches Konsumklischee oder Architekturnutzung mitgedacht ist.

 

Richert Beil SS24 - Vater, unser

Richert Beil SS24 - Vater, unser

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