Barbouze
Richard Kravetz Herbst/Winter 2012/2013
Text: Marcello Rubin
Bilder: Boris Marberg
Wir erwähnten ja schon mehrfach, dass die Berliner Fashionweek so viele Entdeckungen bereit hält, die man außerhalb des großen Zeltevents aufspüren muss. Dazu gehörte auch die bestechende Show von Richard Kravetz, einem jungen Designer, der schon auf der vorherigen Fashionweek vertreten war. In einem kleinen Showroom seines Ateliers am Hackeschen Markt in Berlin Mitte, mit handverlesenen Gästen, unaufdringlicher Presse und schlichtem, aber elegantem Ambiente sahen wir jetzt einen Auftritt großer Eleganz und bemerkenswerter Schneiderkunst.
Das Thema „Barbouze“ meint die selbstbewusste, starke Frau vom Typ weiblicher Agenten, wie man ihnen in James-Bond-Filmen gerne begegnet, clever, charismatisch, etwas geheimnisvoll, gutaussehend und sehr geschmackssicher. Aktiv und selbstbewusst im Auftritt verknüpft sie Weltläufigkeit und Klasse mit Sportlichkeit. Und die Sportlichkeit dieses Frauentyps manifestiert sich eben nicht in Turnschuhen und aufgesetzten Pseudo-Schwunglinien, sondern in der absoluten Veredlung sportlicher Gestalt.
Mit reduzierter Farbpalette (hauptsächlich Schwarz, ausgesucht schöne Rottöne, Weiß, gebrochen oder klar, und Gold) und klaren Schnitten und Linien, die sehr außerordentlich, sorgfältig und kontrolliert gesetzt sind, wurde hier eine Kollektion gezeigt, die zwar gelegentlich auch eine Assoziation zu Chanel evozierte, aber dennoch einen ganz eigenen Touch bestechender Eleganz auskostet. Zum Einen liegt das an der Raffinesse in Formen und Verarbeitung, deren Klarheit und Geradlinigkeit geradezu frappierend sind, andererseits an dem bewusst erotischen Akzent, der sich hier allerdings deutlich anders definiert als bei Chanel. Denn die Bond-Agentin scheut den tiefen Ausschnitt nicht. Mit minimalistischer Raffinesse und formaler Geradlinigkeit wird hier ein total eleganter Sexappeal herausgestellt, der, wenn überhaupt, auf allerhöchstem Niveau anzüglich ist. Das sieht wirklich sehr cool aus.
Ladylike sind die Stücke durch und durch, immer wunderbar tailliert, zum Teil sogar mit betont herausgestellten Abnähern. Schulterpolster, schlichte Bordüren und raffinierte, übereinander gelegte Falten konkretisieren die feine Linienführung und geben der Figur viel feminine Gestalt.
Ein wunderbares Beispiel für diesen Stil ist auch der Cashmere-Mantel in feinem Beige mit großem, leicht auseinander stehendem Kragen. Lang, hochgeschlossen und als Zweireiher kommt er betörend tailliert daher – mehr erotisches Undercoverpotenzial kann man wärmender Winterkleidung nicht verleihen.
Die Kollektion Babouze von Richard Kravetz ist puristische und aktive Eleganz für Alltagskleidung im gehobenen Business und auch für Abend- bzw. Cocktailkleider, lässig zu tragen ohne je nachlässig zu wirken. Und sehr sexy.
Insgesamt eine Show atemberaubender Alltagskultur der gehobenen Classe. Für mich persönlich war dies eine der geschmackvollsten und bestechendsten Kollektionen, die wir für diese Saison gesehen haben.