Berlin Fashion Week SS2024 – Alte Nationalgalerie
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Eine Kollektion von Rianna + Nina ist selten spezifisch im Sinne von top aktuell, auch wenn sie aktuelle Arbeiten mit momentanen Neigungen zeigt. Mit dem Arbeitsprinzip, Vintage-Stoffe, -Muster und -Objekte zusammenzufügen und neu aufzubereiten, macht das auch wenig Sinn. Das Duo hat das Prinzip perfektioniert und es damit (seit 2014) geschafft, sich unter die Luxusmarken einzureihen.
Der Erfolg ist nicht nur der Geschmackssicherheit zu verdanken, sondern der besonderen Ausstrahlung der Erscheinungsbilder: ein Feuerwerk der Farbenfreude, Sinnlichkeit der Muster, ungewöhnlicher Kombinationen und vor allem auch modehistorischer, folkloristischer und ethnischer Kenntnisreichtum bringen eine Assoziationsfülle hervor, die umgehend jede lokale Anbindung vergessen läßt. Und, ganz wichtig, stets kommen die Looks frisch und optimistisch daher, lebendig und vielschichtig, manchmal auch humorvoll; dann hier noch dies und da noch das, manchmal weit hergeholt, noch großartiger, noch launiger. Der schöpferische Reichtum aus wohl bodenlosem Fundus, überall zusammengetragen auf Flohmärkten, 2nd Hand und von vielen Reisen, gestöbert, gefunden, gesehen, mitgenommen. Und, in neuem Zusammenhang, vorgeführt und die eigene Kraft und Würde und Kultur der Teile, Muster, Materialien und Dekorationen sichtbar und erlebbar gemacht. Vieles davon, das muss man sich eingestehen, muß sehr aufwändig gefunden sein, ganz so einfach ist das mit den objets trouvés nämlich auch nicht, sondern schon hochprofessionelles Finden. Und eine nachlässige Verarbeitung würde vieles wieder kaputt machen. Da setzt sich die Hingabe fort und am Ende kommt der Begriff Luxus ganz von selbst heraus, es sind ja auch nur Unikate möglich. (Es gibt allerdings auch eine „Ready-To-Wear collection“, mit eigenen Prints und deutlich weniger komplex.)
Zu dieser Kollektion kamen noch originelle Kopfputze dazu, bunt, exotisch, kreativ. Dies i-Tüpfelchen fügt noch einen neuen Kick dazu. Schuhe dagegen brauchte es bei dieser Kollektion überhaupt nicht, ein paar vergnügte Farbschlenker auf den nackten Füßen (und Armen) gaben etwas Urlaubs- und Freiheitsfeeling dazu – was für eine originelle und überzeugende Idee!
Asiatische Inspirationen sahen wir diese Saison oft und bei mehreren Schauen, man könnte vermuten, dass nach all den Dekonstruktionen und Schichtungen nun etwas mehr Stilbewußtsein und Eleganz auf dem Vormarsch sind. Aber Rianna + Nina hatten den Anspruch eigentlich von Anfang an und diese Schau unterstreicht vielmehr, dass gerade die asiatische Inspiration außerordentlich fruchtbar ist. Und der Lebensfreude den richtigen Anstoß gibt – verbunden mit sehr gutem Geschmack.
Und gottseidank kam nirgends ein kämpferischer Kommentar im Sinne negativer Appropriation. Das ist Appropriation im allerbesten Sinne, stets bereichernd, respekt- und würdevoll und liebevoll.