Preface MBFW ss2022

Preface MBFW ss2022

Eine kleine Vorbetrachtung

 

Text & Artikelbild: Gerhard Paproth

 

Erfahrungsgemäß kann man schon im Vorfeld spüren, wo es lang gehen wird mit der jeweils anstehenden Fashionweek Berlin, organisationsmäßig, richtungsmäßig und programmmäßig. Das war sogar bei den letzten digitalen Veranstaltungen so – wo die Bemühung, die Fashionweek am Leben zu erhalten, indem man ihr eine aktuelle, eigene Richtung verordnet, deutlich zu spüren war.

Organisatorisch war aber leider ein (un)übersichtlicher Zugriff auf die Liveübertragungen recht anfängerhaft ins Netz organisiert und das, obwohl Fashionweeks andernorts (z.B. Paris, Mailand etc.) da schon professionellere Planungen und Übersichten im Internet vorführten. Das ist jetzt nicht besser geworden, man hat sogar den Eindruck, es wird alles Planerische noch mehr auf die letzte Sekunde geschoben. Anmeldungen bei der „Leitstelle“ werden nicht beantwortet, zuständige Mitarbeiter antworten nicht, die Organisation bleibt völlig undurchsichtig und, aus Sicht der Presse, höchst unprofessionell. Die Infos sind spärlicher denn je, nichts wird bereit gestellt, niemandem wird geholfen, niemand ist konkret ansprechbar. Zwangsläufig mussten wir uns darum auch vom „offiziellen“ Programm weg bewegen zu parallelen Konzepten, woraus sich aber – leider – noch keine spannende Planung ergibt.

Das Programmatische setzt, so sieht es bislang aus, noch vehementer auf ein ideologisches Konstrukt. Viel Palaver um nachhaltiges Modebewußtsein, wenig Demonstration, wie man sich die Ergebnisse davon vorzustellen hat. Und noch weniger Anschauung, wie die deutsche Modewelt nachhaltige Mode mit überzeugendem Styling und spannenden Protagonisten charakteristisch in den internationalen Kontext bringen will. Dabei erwartet diese internationale Szene gerade von Berlin wichtige und zukunftsträchtige Perspektiven.

Alle Veranstaltungen, die eher parallel zur „offiziellen“ MBFW stattfinden, sind besser aufgestellt. Neo.Fashion.2021 beispielsweise, die große Schau von Absolventen (Graduates) deutscher Modeschulen, liefert ein straightes, gut gegliedertes Programm. Das Programm im Kraftwerk bleibt dagegen bruchstückhaft. Die einzelnen Designer müssen jeweils ihr eigenes Süppchen kochen und je distanzierter sie sich von der offiziellen Schiene offsite organisieren, desto besser tun sie das in der Regel. Aber viele Highlights bleiben ganz weg oder verlegen sich auf einen digitalen Beitrag.

Und um die Verwirrung noch etwas zu steigern, gibt es dann noch das Format „About You“ (Fashion Week Autumn/Winter 21) im Anschluss, vom 11. – 15. September, quasi eine Sofortkauf-Version mit populär orientierter VIP-Präsenz-Masche. Da präsentieren dann, neben Marina Hoermanseder und Guido Maria Kretschmer, deutsche Models, TV- und Schlagerstars ihre Kollektionen. Ob das eine Edel-Version der Fashion Hall wird? Die es allerdings auch noch gibt, verschmolzen mit der Schau im Quartier 206.

Keine optimistischen Perspektiven im Vorfeld also. Und das ist umso gravierender, als die aktuellen Konditionen (Corona, Neuausrichtung der MBFW, Repräsentation ausgewählter Protagonisten, Verteilung live-digital u.v.m.) eine deutliche Linie verlangen. Abgesehen von gendergerechter Nachhaltigkeit als diffuse Leitideen im Diskursiven kann man vorab nichts erwarten und so wird die Berliner Fashionweek sich vermutlich selbst den Todesstoß versetzen, zumindestens was ihre internationale Relevanz betrifft. Und die galt es nach so vielen Jahren immer noch aufzubauen, weil sie sich bislang schon schwer genug tat. Das Hochhalten von einer ethisch sauberen Mode im organisatorischen Chaos ohne die eigentliche Lust an Modegestaltung zu feiern wird voraussichtlich keine interessante Zukunft starten.