Berlin Fashion Week SS2024 – James-Simon-Galerie
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Odeeh gehört zu den „Klassikern“ der Berliner Fashionweek, im doppelten Sinn. Location, Publikum und Presse sind jedes Mal ausgesucht und haben dabei stets den Nimbus der gehobenen Klasse. Das Spektrum innerhalb dessen äußert sich in ihren großen Kollektionen in recht verschiedene Richtungen zeigend, eigentlich sind es mehrere Kollektionen in einer, die versuchen, zusammen ein großes Gebiet der „bürgerlich“ lebenden, erfolgreichen Frauen mit Geschmack und Stilbewußtsein abzudecken. Entsprechend groß ist das Interesse und entsprechend anspruchsvoll sind Location, Präsentationsstil und natürlich, in erster Linie, die Kollektion ausgerichtet.
Für das Programm der Berliner Fashionweek (dort präsentiert Odeeh seit 2010) ist das eine wichtige Position, denn schließlich ist das große Modepublikum nicht nur von avantgardistischer Exzentrik und innovativen Ideen geprägt, sondern, viel wesentlicher, von bürgerlicher Alltäglichkeit, wie überall in den Großstädten dieser Welt. Und daraus egeben sich für das Modedesign „klassischen Selbstverständnisses“ eigene Prämissen, allen voran tatsächliche Tragbarkeit, dazu eine gewisse Properness, Touches von Sportlichkeit, Aufgeschlossenheit (in Maßen), sparsame, aber prägende Apercus, ab und zu pfiffige Kontraste, ungewöhnliche und geschickt gebändigte Muster und Applikationen und nicht zuletzt aufgegriffene Gestaltungstrends, die geschickt und beherrscht eingebaut werden. All das gelingt Odeeh zunehmend perfekt. Alle Trends der letzten Jahre finden sich in ihren Gestaltungen wieder, sehr geschmackvoll und elegant integriert, meist spielerisch; darin besteht die Kunst des smarten Designerduos Jörg Ehrlich und Otto Drögsler.
Ein herausstechendes Stilmittel gibt es allerdings in jeder Kollektion, dieses Mal war es der geknotete Taillengurt aus Stoff, sehr auf den japanischen Obi bezogen, der bei vielen Outfits einen wesentlichen Gestaltungsakzent ausmacht. Auch manche Schnitte referierten auf asiatische Stilismen. Unkonventionell waren die wadenlangen Paillettenröcke, die mit schlichten Oberteilen oder verspielten Jacken kombiniert wurden.
Die innovative Kraft der Odeeh-Kollektion besteht also nicht zuletzt aus vorgefundenen und üblichen Trenderscheinungen, aber im Wesentlichen in der Fähigkeit, diese geschmackssicher, elegant und sympathisch für ein bürgerliches Publikum aufzubereiten, ohne ein exzentrisches „Zuviel“ zuzumuten. In der Hinsicht ist die Kreativität durch sehr weitreichende Möglichkeiten geprägt und inspiriert und das Spielfeld mit seinem großen Pool an zeitgenössischen Gestaltungsvarianten für kreative Designer fast unerschöpflich. Und da das Zeitgenössische auch den Zeitgeist in sich trägt, ist die Odeeh-Mode eben auch zeitgeistig, aber eben nicht aus sich heraus innovativ. Der Unterschied zur 08/15-Zeitgeist-Mode von Billigmarken besteht nämlich letztlich in der großen Differenz des Geschmacksniveaus des Tuns und des Ergebnisses und des Charismas. Da liegen das eigentliche Verdienst und die Qualität der Odeeh-Kollektionen. Der große Zuspruch und Erfolg demonstrieren zugleich, dass das Einreißen herkömmlicher ästhetischer Werte, wie anderswo gefeiert, noch längst nicht das Begehren der Allgemeinheit ist, das Mitgehen mit einem allgemeinen (wie durch Odeeh abgesegneten) Zeitgeist in gebändigter, ästhetisch anspruchsvoller Form aber durchaus ein Bedürfnis ist. Eben auch in Berlin.