OBS – Workwear

OBS – Workwear

Berlin Fashion Week AW2025 – St. Elisabeth

Bilder: Andreas Hofrichter

Text: Gerhard Paproth

 

Wenn man davon ausgehen kann, dass Modebewußtsein damit verknüpft ist, wo man sich eigentlich verortet im Leben, womit man sich identifiziert und was man an seinem täglichen Tun auch liebt, ist es logisch, dass die alltägliche Arbeit dabei eine erhebliche Rolle spielt – oder zumindestens spielen kann, wenn man sich nicht nur mit seiner Freizeitaktivität definiert. Dass der Modebetrieb sich in diesem Sinne meistens nur auf Business-Wear konzentriert, verortet Modebewußtsein in der Mittelklasse und vielleicht Upperclass und spricht der eigentlich größten gesellschaftlichen Schicht ein ästhetisches und identifikatorisches Interesse ab.

Das Workwear-Label OBS sieht das anders und es ist schön, dass diese Perspektive nun auch angemessen auf der Fashionweek repräsentiert ist. Zentral ist dabei die Feststellung, dass es sich mit diesem Focus nicht um Sozialromantik als Ausgangspunkt handelt, also einen romantisierenden Blick auf ein fremdes, von aussen wahrgenommenes Feld, meinetwegen so wie die Schäferspielchen der Aristokraten im 18. Jahrhundert, man also Elemente der einen Lebenswelt sportlich oder verspielt in die andere Lebenswelt überträgt, sie scheinadelt, sondern dass die Haltung in eben der betroffenen Welt selbst verankert ist. Dafür ist es keineswegs zwingend, dass, wie bei dem Designerduo Johannes und Matthias Schweizer, schon die Eltern, genauer der Vater, an der proletarischen Baustelle arbeiteten und die Kinder deswegen mit einer solchen Lebensverortung aufgewachsen sind, aber es ist sicherlich schon sehr von Vorteil.

Die Faszination und Liebe zur handwerklichen Arbeitswelt eröffnet eine ganz eigene Disposition zu der damit verbundenen Gestaltungsästhetik und bestimmte Herausforderungen wie Funktionalität, Haltbarkeit, Symboltypisches (Berufszweig) und auch Arbeitsschutz etc. bekommen große Gewichtung bei den Entwürfen. Das ist das Eine, Verpflichtende, für Arbeitskleidung schon immer Geltende, das andere ist die Würdigung mit einer ästhetischen Subtilität, die die Liebe und das „Schöne“ am Beruf deutlich herausstellt, ohne da etwas Künstliches (Romantisierendes) überzustülpen. Und genau das gelingt dem Label auf absolut überzeugende Weise.

Es gelingt so überzeugend, dass man, nicht selbst aus dieser handwerklichen Lebenswelt kommend, schnell eine starke Sympathie damit entwickelt, vor allem angesichts des Hintergrundes, dass das Handwerk sich aus einer despektierlichen Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft bis heute nicht befreien konnte. Denn wir alle lieben Menschen, die sich hingebungsvoll und identifizierend in ihrer täglichen Arbeit verwirklichen, das geht, das Handwerk betreffend, ja sogar so weit, dass mancher die in uns alle eingeschriebene Freude am handwerklichen Tun als Hobby im Keller nachholt, was der Bürojob nicht bietet. Hier also nun die fällige Beachtung im Bereich Modedesign, und eben nicht als Hobbyveranstaltung.

Die Brücke zur angemessenen Wahrnehmung der Kollektion schlägt die räumliche Inszenierung der Präsentation als konkret wirkende Baustelle (auch die liebevoll und nicht nur symbolisch ausgestattet), in die die Berufe, Tätigkeiten und Arbeitsprozesse eingebettet sind. Die darin vorgestellten Modeoutfits sind deswegen nicht als Vorschläge zu verstehen, gestalterische Teilaspekte in gängige Modekonzepte zu übernehmen, quasi als ein interessanter Kick für Streetwear oder so, sondern sie ruhen ganz im Eigentlichen, stehen emanzipiert für sich selbst.

Modehistorisch ist das eigentlich nicht neu, schon die bauhaus-Philosophie hat versucht, Funktionalität und Ästhetik in Einklang zu bringen, auch da spielten Bedürfnisse der Arbeiterklasse eine wesentliche Rolle; im Laufe der geschichtlichen Entwicklung der bauhaus-Gestaltphilosophie ist aber viel von diesem proletarischen Bewußtsein auf der Strecke geblieben und lediglich das Funktionalitätsideal hat sich etabliert – nicht zuletzt als akademische Verpflichtung. In der Modegeschichte kann man das genauso erkennen wie in allen anderen Designbereichen auch. Es hat damit einen eher elitären Anstrich bekommen.

Insofern setzt OBS mit dieser Gestaltphilosophie noch einmal richtig neu an, eben nicht akademisch verträumt, sondern konkret und wahrhaftig. Einerseits kenntnisreich in den praktischen Herausforderungen fürs Schneiderhandwerk, andererseits emotional und ästhetisch zielgerichtet auf gestalterische Optionen (ohne zeitgeistig modische Elemente zu ignorieren). Letztere müssen „im Rahmen“ bleiben und trotzdem höchst attraktiv daherkommen. Denn diese Zielgruppe will nix „Spinnertes“ oder elaborierte Übertreibungen, sie will in der Kleidung das wieder finden und gewürdigt sehen, was Spass und Liebe zum Tätigkeitsfeld ausmacht. Zeitgemäß interpretiert. Alles das führt zu einer recht substantiellen Designer-Haltung, die mit der Selbst-Feier der gegenwärtigen Modekonzepte oft verloren gegangen ist und diese zu einer seltsamen Künstlichkeit geführt hat.