Berlin Fashion Week aw2019, E-Werk
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Andreas Hofrichter
Der Gedanke war richtig und die konsequente Umsetzung hervorragend gelungen. Nachhaltige bzw. ökologische Kleidung als optisch attraktiv und modisch gekonnt einem anspruchsvollen Publikum im Kontext von Modedesign auf der Höhe der Zeit vorzustellen ist der rettende Leitgedanke, den die Nachfolge der Green Fashionshow erkannt hat. Wir sind jedenfalls in den letzten Saisons nicht mehr mit Spannung zu den Green-Schauen gegangen, denn die anfänglichen Hoffnungen, hier gleichwertige künstlerische Ausdrucksformen zu finden wie bei anderen Schauen hatten sich längst aufgelöst. Die engagierten Sachen sahen gestalterisch anspruchslos aus, letztlich nach „öko“.
Und die jetzige Entscheidung, das inhaltlich Korrekte optisch und gestalterisch attraktiv in die Konkurrenz zu schicken und damit eine kompetente Person (Claudia Hofmann, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Fashion Council Germany) leitend zu beauftragen, erwies sich als goldrichtig. Der Auftrag glich dem eines Kunstkurators, der eine ungewöhnliche Idee mit kaum bekannten Exponaten in ein spannendes, erfolgreiches Ausstellungskonzept verwandeln soll. Eine Ausstellung, die mit neuer Perspektive und Beleuchtung ohne pädagogischen Zeigefinger vorgefertigte Haltungen in der Allgemeinheit beiseite räumt.
Und genau so hat Claudia Hofmann das angepackt und erfolgreich auf die Beine gestellt. Der entscheidende Gedanke war, nicht spezielle Macher oder Macharten zu thematisieren, sondern Erscheinungsbilder zu einem überzeugenden ästhetischen Gefüge zusammenzubringen. Also ein Konzept, das – auf der Basis nachhaltiger Machart – modisch anspruchsvoll daherkommt. Editorial-Show nennt man das im Insider-Sprech, wobei der Begriff Editorial in der Mode meist eine gebundene Fotostrecke bezeichnet. Claudia Hofmann im Interview mit Vogue: „… Eine Editorial-Show ist dem echten Leben näher – man richtet sich nicht nach einem Mono-Brand-Look, sondern zeigt Styling-Möglichkeiten.“ Aus 40 nachhaltig arbeitenden, nationalen und internationalen Marken suchte Claudia Hofmann die Teile zusammen, aus deren Mix in den Looks sie dann so etwas Ähnliches wie eine Kollektion stylte (und mit einem informativen Beiheft “fashioncredits” auf jedem Zuschauerplatz – wie ein kleiner Kunstkatalog zu einer Ausstellung – ergänzte, den man auch im Internet abrufen kann). Das kam ziemlich geradlinig und deswegen überzeugend daher. Also nichts, was da besonders auf Öko machte oder den faden Jutebeutel-Geschmack repräsentierte.
Diese Schau hat die bisherigen Green-Shows beerdigt, ohne beim inhaltlichen Anspruch Zugeständnisse machen zu müssen. Sie hat auch neue Maßstäbe gesetzt, dahingehend, dass modernes Erscheinungsbild nicht im Widerspruch zu nachhaltigem Bewußtsein steht. Sie demonstriert eine neue Perspektive der Zukunftsträchtigkeit von Sustainable Innovation, wie die Verantwortliche das nennt. Im Gespräch betont Claudia Hofmann natürlich auch, dass diese Initiative ein Teil der großen Präsentation ist, „die Kern-Veranstaltung der Messe drumherum, die all die Marken ausführlich zeigt“. Mit der Namensänderung von Green Showroom zu Neonyt versuchen die Macher sich neu und genauer zu positionieren als „Hub für Future Fashion und Sustainable Innovation“, also quasi als eine zentrale Netzwerkstation nachhaltiger Mode, die von der Frankfurter Messe unterhalten wird. Diese attraktive Schau verankert nun den ideellen Maßstab im allgemeinen Gefüge.
Auch die PR gibt sich einen neuen Duktus, sie versucht Frische, Aufklärung und Anspruch zeitgemäß zu formulieren und möglichst viel Publikum anzusprechen. Ein bisschen übertrieben, wie wir fanden, die Mailbox quoll geradezu über mit den täglichen Lieferungen, dass man bald schon nicht mehr draufguckte, aber die neue Power blieb spürbar. Und natürlich war die Schau-Veranstaltung voll besetzt, der große Beifall ein verdientes Kompliment.
Fashioncredits: http://www.thefashioncredits.com/