Neo.Fashion. – Fashion for Future? (pt.II) Schneeberg

Neo.Fashion. – Fashion for Future? (pt.II) Schneeberg

Berlin Fashionweek AW2020, Vienna House Andel´s

Bilder: Boris Marberg
Text: Gerhard Paproth

 

Die „Angewandte Kunst Schneeberg“ in Zwickau versteht sich als möglichst offene Hochschule mit vielen persönlichen und experimentellen Freiräumen einerseits und gleichzeitiger Focussierung auf praxisorientierte Professionalität andererseits. Damit ist sie thematisch offener aufgestellt als pointiert soziologisch reflektierende Hochschulen und in den Ergebnissen entsprechend breiter gefächert. Und die ästhetischen Ansätze erscheinen etwas prägnanter und professioneller gefordert (auch in ihrer geistigen Voraussetzung), als die Ergebnisse selbstdefinierender Suchen und revolutionierender Perspektiven. Soweit zumindestens der Eindruck, den die Schau und die Katalogbeiträge nahe legen.

Aus Beispielen der Schau wird aber auch eine spezifische Unterrichtsorientierung erkennbar, nämlich eine favorisierte Gestaltung mit geometrischen Entwicklungsprozessen, die allerdings sehr verschiedene Ansätze, Strategien und Prägungen hervorbringen.

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Aline Herzau “Future Fixes“.
Die Designerin sucht mit Materialexperimenten (Latex, Silikon, manipuliertes Textil) gefühlsgeprägte Kleidung zu machen und gleichzeitig Trendbewegungen aufzugreifen. Schon die Farbe Orange mit Weiß in Kombination, die Lässigkeit der Schnitte und aufscheinende Transparenzen suggerieren angenehme, unaufdringliche Emotionalität – es ist insofern eine inhaltliche Perspektive, als im Zeitgeist diese Sehnsucht mitschwingt.

 

Neo.Fashion. - Fashion for Future? (pt.II) Schneeberg

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Jiri Spata „Antimonoton“.
Im Gegensatz dazu ist Jiri Spata eher von rationalem Vorgehen und Wirkungsinteressen geprägt. Er sucht flexible Anpassung von Kleidung an unterschiedliche Körpergestalten und geometrische Formulierungen, die das ermöglichen und zugleich einen avantgardistischen Zukunftsaspekt versinnbildlichen. Daraus entstehen unter anderem Unisex-Kleidungsstücke, die meist eher flächig und formal gedacht sind und von daher ihre Wirkung erzielen sollen.

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Madeleine Haber „Revamped 54“.
Das Gestaltungskonzept versucht einen Brückenschlag der disco-orientierten Mode der 70er Jahre (Studio 54) zu modernen Silhouetten zu schlagen. Auch sie bedient sich dabei geometrischer Gestaltungskombinationen, wie sie tonangebend in den 70s anfangs bei ABBA die Outfits und später z.B. die Thierry Mugler Kollektionen bis in die 80s prägten. Durch den Verzicht auf den Glamour-Anteil sowie bestimmter, spezifischer Schnittstandards der Epoche leitet die Designerin quasi eine zeitgenössische, gedämpfte Weiterentwicklung daraus ab.

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Sylvia Weber „Functionwear // Two Perspectives“.
Sehr pragmatisch entwickelt Sylvia Weber funktionale Kleidung im Spektrum von Arbeits-, Freizeit- und Businesskleidung. Sehr konventionell bedient sie sich dabei entsprechend praktischer, moderner Materialien und Verarbeitungstechniken und kooperiert mit tonangebenden Firmen auf dem Gebiet. Repräsentative Eigenschaften werden angedeutet, treten aber gegenüber Wetterschutz und Tragekomfort eher zurück.

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Linh Tran Thuy „Cultural Crossroads“.
Die Kollektion leitet sich aus speziellen folkloristischen Vorlagen ab (Hmong), bei denen ebenfalls geometrische Formulierungen die Schnitte und Muster bestimmen. Der Transfer der traditionellen Attribute in die Gegenwart führt zu neuen, eigenen Prägungen, aus denen sich zum Teil auch eine eigene Eleganz entwickelt.

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Ellen Judith Müller „Knit[ed]it“
Stricktechnik ist mittlerweile ein komplexes Verfahren geworden, das eigene Entwurfskonzepte verlangt und auch digitaler Programmierung bedarf. Die Entwicklung von der Fläche zur plastischen Form folgt anderen Wegen als bei klassischen Modedesignern und die Strukturierung und Oberflächengestalt des Materials ist wesentlicher Teil der Gestaltüberlegung, Muster im Gewebe eine besondere Raffinesse. Ellen Judith Müller zeigt besonders elaborierte Experimente, besonders mit einem Hosenanzug.

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Kristin Noack „Do/Cut“.
Lucio Fontanas Schnitt durch die Leinwandfläche läßt sich durchaus sinnvoll als Gestaltungskonzept auf Kleidung übertragen. besonders, wenn dahinter der reine Körper der Trägerin erscheint. Aber die Designerin versteht sich eher als Teil einer Avantgarde, den sogenannten Expeditiven. Versucht wird, den Konsumenten als Mitdesigner in die Gestaltung einzubeziehen, indem er interaktiv das Design weiter beeinflusst. Aus den hier gezeigten Kleidermodellen, die eher unspektakulär und klassisch daherkommen, wird das allerdings nicht erkennbar (soweit nicht ihr eigener Körper darin zur Wirkung kommt).

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Maria Salomé Buitrago Vasquez „Tropical Shades“ – Resort 20.
Der Zusammenführung zweier Kulturen, nämlich der von Lateinamerika (Strandmode) und der klassisch europäischen, widmet sich die Absolventin mit ihrer Kollektion. Die Verschmelzung der modetypischen Elemente spiegelt zwar auch den Prozess ihres eigenen Erlebens, zeigt aber letztendlich die positive gegenseitige Befruchtung, mit der die Trägerin sich identifiziert.

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