NAMILIA – Good Girl Gone Bad

NAMILIA – Good Girl Gone Bad

Berlin Fashion Week SS2025 – The Tunnel

Text: Gerhard Paproth

Bilder: Andreas Hofrichter

 

Die Kooperation mit dem bekannten Label ED HARDY hat Namilia einen guten und wohl wichtigen Inspirationsschub gegeben, jedenfalls war die Schau der neuen Kollektion für Sommer 2025 wieder ein einfallsreiches Panoptikum mit vielen Überraschungen. Ein thematischer Leitgedanke trug außerdem die nach wie vor provokanten Konfrontationen inhaltlicher Prägung.

Doch eins nach dem anderen, denn beides hat eigentlich nicht viel miteinander zu tun. In den Nuller bis 2010er Jahren war Ed Hardy ein berühmtes Mode Label, das sein Image vorwiegend mit Tattoomotiven im weitesten Sinne aus den 50er Jahren bezog: Donald Edward Talbott “Don Ed” Hardy war in den 70ern der wohl berühmteste Tattookünstler der USA, 2002 gründete er das Modelabel und indem es diese ganz spezifische Bild-Ästhetik zu Pop erklärte, entwickelte die Marke daraus einen eigenen Kosmos der Mode. Die kitschigen Motive bedienen positive Klischees von Liebe, Treue, Hingabe, Sex, Herzeleid und Verliebtsein, aber auch Drachen, Tod und Gewalt, nicht selten einträchtig kombiniert. Die gleichzeitige Verspieltheit und Romantisierung treffen ziemlich punktgenau die Definition von Camp und die Schlichtheit der direkten Symbolik schreibt beste Pop-Geschichte fort. Aber wie so vieles in der Mode kam dieses Label auch langsam out of time und spielte seit den letzten 15 Jahren nur noch eine unerhebliche Rolle in den folgenden Generationswechseln.

Wie auch immer es gekommen sein mag, entdeckte das Designerduo Nan Li und Emilia Pfohl von Namilia die eigene Ästhetik des Ed-Hardy-Kosmos’ neu und für sich, nicht zuletzt wohl auch wegen seiner erotischen Emotionalität und Direktheit. Zu einem guten Zeitpunkt, denn die Kollektion der letzten Saison war schon sehr von bereits bekannten Motiven und Ideen vorangegangener Kollektionen geprägt und ein innovativer Kick des einfallsreichen Designerpaares mehr oder weniger ausgeblieben. Sie machten aus der Kooperation nun eine wirklich einfallsreiche und gestalterisch experimentelle Symbiose, die alle Register zieht, wie man Motivwelten pfiffig und attraktiv in neue Formen und Erscheinungsbilder fassen kann. Auch die geschichtlichen Verknüpfungen der Ed-Hardy-Welt (Blue Jeans, Caps, Originaltattoos, Logo) werden neu definiert. Die ureigene Idee Namilias von der sexuell geprägten Basis wird dabei natürlich nicht verlassen, sie geht eher über von der Provokation in ein Selbstverständnis und macht damit einen großen Entwicklungsschritt. Zugleich kommt die Gestaltung zurück auf Vorstellungen von ästhetischem Raffinement und auf optische Komplexität, auf originelle Herangehensweisen und Durchspielen verschiedenster Erscheinungsbilder. Mit den Ed-Hardy-Motiven setzt das Label jeweils Ausgangspunkte für so viele Gestaltungsexperimente. Das ist wohl der entscheidende Punkt für diese erneut innovative Kollektion.

Ein anderer ist das Thema “Good Girl Gone Bad”. Das Label erklärt sein Interesse – und seine Faszination –  an dem Phänomen des Startums, der besonders in diesem Jahrhundert die westliche Kultur entscheidend prägt, sofern sein Lifestyle- und Pop-Charakter im Zentrum gesehen wird. Die minutiöse Beobachtung des Lebens der Stars als Miterlebenskultur hat sich gesteigert und, genauso spannend wie der begleitende Glanz, auch das Phänomen des Absturzes, der mit gleichem Gelüste verfolgt wird. Auch das große Scheitern wird als kulturelle Sensation empfunden, begleitet und gefördert von Paparazzis, sensationsgeilen Medien und sozialen Netzwerken. Doch das Prinzip hat sich demokratisiert:  Waren früher die Optionen auf Startum vorgegeben, kann jeder sie heute umkehren und sich selbst zum Star aufschwingen. Die Besessenheit, mit der die popkulturelle Gesellschaft diese Phänomene auslebt, die Spektakel, die aus Stars Opfer machen und aus Blitzerfolg Blitzscheitern, ist Anlass für Namilia, daraus ein modisches Thema zu machen, reflexiv und partizipativ und alternativ zugleich. Aber dies stellt Namilia eben auch klar: Die Bewunderung kann man nicht in seinem eigenen Leben ins Praktische umsetzen, man scheitert an den großen Stereotypen mit folgender Enttäuschung. Als Konsequenz kann man nur in der eigenen Individualität die Selbstbestimmung definieren. Darin liegt die zentrale Botschaft des Labels und damit sieht es sich schon in der darauf folgenden Generation.

Mit ihrer intellektuellen Positionierung sind Namilia gegenwärtig sehr prägnante Avantgarde und es gibt kaum Labels, die so entschieden und konsequent die zeitgeistige Haltung der Jugend aufgreifen und als Mode auf den weiter denkenden, radikalen Punkt bringen. Zugleich schrecken sie nicht davor zurück, das provokant zu formulieren, im Gegenteil, sie haben gerade daran Spass. Sie machen damit auch deutlich, dass es eben nicht so ist, dass alle Möglichkeiten des Tabubruchs, Schocks und Provokation abgenutzt sind, sondern dann, wenn sie sich reflektiert aus der beobachteten Gegenwartssituation speisen, sehr wohl innovativ sein können und wirksam funktionieren. Beeindruckend dabei ist, dass Namilia die Lust am Spielerischen nicht zurückstellt, den Spass an Pop, simplen Parolen und klischierten Zeichen pflegt, ohne den klugen Anspruch zu unterlaufen. Das, so kann man es sehen, ist Kunst. Und dieses Niveau des Modeschaffens setzt die Berliner Fashionweek von den gepflegten Standards anderer Standorte ab und nimmt Einfluss, auch wenn sie sonst leicht kleingeredet wird. Namilia ist ein gutes Beispiel dafür, was man unter dem Begriff zeitgemäßer Avantgarde verstehen kann und die Kulturgeschichte lehrt immer wieder, dass Avantgarde stets im Unbeachteten stattfand beziehungsweise stattfindet und nicht auf großer international gefeierter Bühne. Aber relevanten Einfluss nimmt.

 

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad

NAMILIA - Good Girl Gone Bad