Berlin Fashion Week SS2026 – FÜRST
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Mario Keine erschien mit MARKE schon SS 2024 im Reigen der Berliner Fashionweek und hat seitdem seinen Gestaltungsstil fester umrissen, besonders der maritime Bezug im atmosphärischen Sinne prägt das sommerliche Grundgefühl seiner Kollektionen. Damit sichert sich das Label auch so etwas wie Grundsympathie schon im Vorhinein.
Prägnant sind die klaren und geometrischen Formen, die akzentuierend zu einander kontrastieren, wobei der Rückgriff auf den klassischen Blazer besonders häufig thematisiert ist. Der sitzt weit und großzügig, ist mit Reihen großer, stoffbezogener Knöpfe, die nur manchmal der eigentlichen Funktion folgen, symmetrisch ergänzt und er wird vornehmlich offen getragen. In der Öffnung leuchtet dann bei den schwarzen Modellen strahlendes Weiß hervor – überhaupt ist das gerdezu blendende Weiß recht prägnant für die Kollektion, auch wenn hie und da helles Grau an seine Stelle tritt.
Die zugehörige Beinbekleidung der Herrenkollektion wechselt von scheinbar nicht vorhanden über klassische Shorts (auch in Pluderhosenform) hin zu weiten, langen Varianten, an der Seite geknöpft und am Knöchel mit Bündchen geschlossen. Hier glaubt man das Dilemma vieler Designer herauszulesen, eine zeitgenössische Version einer männlichen Hose zu finden und dabei den modernen Forderungen (zum Beispiel kurze Shorts, pflegeleicht, locker etc.) gerecht zu werden, wobei meistens der gute Geschmack und eine gewisse männliche Eleganz auf der Strecke bleiben müssen. Mit dem Ausgangsmodell Blazer sind dagegen solche Experimente für Oberbekleidung leichter. Die Herausforderung verkompliziert sich, wenn man moderne Queerness und Genderideologien da auch noch unterbringen will, wie das bei MARKE explizit so sein soll. Damit nicht genug, Bezüge zu Literatur (Maurice von dem Edwardianischen E.M. Forster, Swimming in the Dark, 90er Jahre, von dem Polen Tomasz Jedrowski, and Young Mungo von Working Class Verfechter Douglas Stuart) sollen quasi kämpferisch auch noch in die Gestaltungsinspiration einfließen – ganz schön komplex das alles und damit auch philosophisch überfrachtet. Immerhin, das ist aber das Entscheidende, sieht man das der Kollektion nicht wirklich an, die klare Strenge der formalen Konstruktionen und der Kontraste spricht eine eigene Gestaltungssprache. Hinzu tritt nun die erwähnte Hosengestaltung, hier kommen weiche Baumwollstoffe zum Einsatz, denen reiches, lockeres Faltenspiel erlaubt ist, das der geometrischen Oberteilgestaltung einen sehr deutlichen Kontrast entgegen setzt. Auch der Pluderhosen-Knöchelabschluss setzt einen unerwarteten Effekt. Die Knopfreihen und das Weiß sind die verbindenden Elemente.
„Kunst und Trash konkurrieren nicht, sondern korrelieren.“ ist ein verbales Statement von Mario Keine und die aufgezeigte Widersprüchlichkeit im Erscheinungsbild kann als Analogie dazu verstanden werden. Dinnerjacket plus Jeans haben sich ja längst vom gesellschaftskritischen Statement zum beliebigen Mixturspiel etabliert, mit der Erweiterung um genderrelevante Positionierung und manchmal auch ästhetische Dekonstruktionen setzt sich der Versuch fort, neue Gestaltungsmodi als gesellschaftspolitische Anschauung in der Mode zu finden. Abgeschlossen ist dieser Prozess also noch lange nicht, wie dieser Beitrag von MARKE zeigt. Immerhin, und das ist ein großer Verdienst, ist der ästhetische Grundanspruch an Mode hier noch nicht aufgegeben, wie das bei den unzähligen Streetfashion-Labels längst geschehen ist.