Marina Hoermanseder: Romantischer Balanceakt

Marina Hoermanseder: Romantischer Balanceakt

Berlin FW-ss2019, E-Werk

Text: Gerhard Paproth

Bilder: Andreas Hofrichter

Tüll, vorwiegend in Rosa, Herzchen und Rüschen bestimmen den wesentlichen Teil der aktuellen Kollektion von Marina Hoermanseder. Das Défilé ist eine romantische Reise durch ein Traumland – manchmal dezent, manchmal recht heftig geht es durch Las Vegas oder Barbie-Land, durch Alices Welt oder landet auf dem Jahrmarkt. Süße Bonbons, Pralinen oder bezaubernde Törtchen aus der Confiserie gibt es auf den Weg der Sweetness. Kindlich ist es nicht, dieses flirrende Panoptikum in sommerlichen Tagen, es ist eher eine sehnsüchtige Romantik, die manche Frauen nie verlässt.

Auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen könnte, ganz aus der Zeit gefallen ist dieser ästhetische Ansatz nicht, aus der Realität wohl schon. Zartes und Verträumtes sahen wir oft auf den Schauen dieser Saison, und einen gewissen Eskapismus kann man uns in dieser etwas rauer gewordenen Wirklichkeit nicht verdenken. Erwachsen ist es durchaus auch, denn nicht zuletzt hat Marina Hoermanseder neben ihrem romantischen Sinn auch ein wundervolles Gespür für Sexyness. Schnitte und Gestalt ihrer kurzen Röcke zum Beispiel haben immer noch atemberaubende Ausstrahlung und die festen Leder-Corsagen formen stets ideale Oberkörper. Das wird jetzt etwas verspielter gebrochen mit dem Tüll und leichten Zugaben, aber noch nicht so weit, dass die rasante Anmutung verloren ginge: das schwarze Rüstungs-Outfit aus Corsage und Tüll ist wohl das am überzeugendsten gelungene Experiment.

Die Kollektion kommt (dank Thema) einheitlicher daher und verzichtet auf diverse Ausflüge in andere Gefilde (z. B. Streetwear), wie Marina Hoermanseder sie bei der vorangegangenen Schau vorführte, und wir vermissen die nicht, auch wenn sie gelungen gemacht waren. Teil des Experiments ist es wohl auch, das Spielerische elegant zu machen und umgekehrt. Im Ansatz zeigte sie dieses Streben schon früher, aber es ist um so mehr ein schwieriger Balanceakt, als dabei nun an der Grenze zum Kitsch balanciert wird. Unsere Redaktion war sich spontan nicht so ganz einig im Urteil, ich finde aber, dass Marina Hoermanseder auf genügend Geschmackssicherheit bauen konnte, eine solche Traumreise zu wagen und dass stellenweise Überpointiertes durchaus auch ironisch gesehen werden konnte.

Die Lust auf Disco-Shine ist geblieben und bei vielen Stücken subtiler konzipiert als zuvor. Die Hoermansederschen Schnallen sind jetzt schmal und filigran wie schöne Uhrarmbänder und finden wieder geschickte Gestaltungsmöglichkeiten zwischen offen und geschlossen. Die Power-Bustiers gibt es noch immer, meistens aber auch etwas weicher. Und während die großen, an die 60s erinnernden Muster ein wenig aus der Linie herauszufallen schienen, war dann der Transparentlook am Schluss ein kleines Wagnis im vertrauten Style, das wunderbar leicht, sexy und bezaubernd das Defilé abschließen konnte. Anderen Experimenten, von konventionellen Zutaten bis zu schier unmöglichem Ganzen, wurde weiter eine Chance gegeben und damit werden über die letzten Jahre aufgebaute Erwartungen eingelöst. Nicht zuletzt ist sie darin auch am besten.

Alles in allem ein etwas mutiges Unterfangen mit den romatischen Traumwelten, aber sympathisch und konzentrierter orientiert als zuvor. Bleibt abzuwarten, wie die große Fanschaft reagieren wird.

Marina Hoermanseder: Romantischer Balanceakt

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