MARINA HOERMANSEDER
Berlin Fashionweek aw 2016/17 im Kronprinzenpalais
Text: Marcello Rubini
Bilder: Boris Marberg
Vielleicht brauchen wir bald gar nichts mehr schreiben über die junge Designerin, denn sie wird von Presse, Insidern und Publikum dermaßen gehyped, dass alles Wesentliche anderswo schon gesagt zu sein scheint.
Aber noch ist Marina Hoermanseder bodenständig, echt und ehrlich im Auftritt, unverfälscht charmant, und sie meistert die manchmal unerwarteten Herausforderungen hinter den Kulissen mit einer Mischung aus viel Kraft, Mut, realistischem Engagement und Herzblut, die der Rolle des ambitionierten und emotiven Upstarts überzeugender (und auch sympathischer) gerecht wird, als der der erfolgsverwöhnten Überfliegerin. Das ist nicht nur offen, sondern lässt auch unvorhergesehene Schwächen und Brüche im Konzept zu, ohne dass der Sympathie Abbruch geleistet würde, wie beim mutig geplanten Showverlauf über zwei Etagen und mehrere Räume hinweg zu erleben war.
Die Hinwendung zu unkompliziert tragbareren Teilen ist nicht ganz einfach, wenn das Markenzeichen fester Corsagen und Riemen-Schnürungen nicht ganz über Bord gehen soll. Das ist sowohl hinsichtlich Funktionalität als auch hinsichtlich der Ästhetik eine echte Herausforderung, denn der Anspruch der Alltagstragbarkeit liegt quasi am anderen Pol der Möglichkeiten angesiedelt. Eine logische Auflösung der unpragmatischen Zwanghaftigkeit hin zu bequemer Lässigkeit scheint kaum vorstellbar.
Aber Marina Hoermanseder lässt sich da offenbar nicht wirklich irritieren und schafft den Brückenschlag meist recht überzeugend. Sie bringt beides zusammen, ohne dass man das Gefühl hat, dass es eben nicht zusammen ginge. Die bewegungsbequemen Röcke zum Beispiel, gerne weit ausgestellte, kurze A-Form, wie sie sie auch selbst gerne trägt, die sich nach oben noch einmal zum Oberkörper etwas öffnen, lassen sich mit den festen Lederkorsagen durchaus kombinieren (und auch umgekehrt – leichtes Hemdchen mit festem Pencil-Rock), womit sich der gedankliche Widerspruch überzeugend aufzulösen scheint – zumindest teilweise. Das ist durchaus überraschend und auch spannend.
Zunehmender Schwerpunkt der Kollektion sind aber doch locker fallende und bequem aussehende Teile, manchmal noch mit Schnallen hie und da versetzt, oft die Riemenschnürungen noch andeutend, in meistens gedeckten, zurückgenommenen, durchaus herbstlichen Farben, beweglichen Stoffen und rautenförmigen Mustern, die optische Beweglichkeit und auch Rhythmik suggerieren. Die schon in der vorherigen Schau gezeigte Wende vom Zwang zur Lockerheit überwiegt nun und wird natürlich auch marktgerechter.
Unterm Strich ist – aus meiner Sicht – aber gerade die Kombination der Gegensätze sehr reizvoll und gelungen vorgeführt und vermutlich liegt darin nicht nur die Überzeugungskraft dieser Kollektion, sondern auch ein Janusgesicht ihrer Generation verborgen: Der kraftvolle, entschiedene Auftritt einerseits und die lässig-pragmatische Haltung andererseits – austauschbar und kombinierbar.