Berlin Fashion Week AW2025 – Mall of Berlin Recycling
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Andreas Hofrichter
Wenn, wie bei Maria Chany, Sci-Fi und Fantasy eine kreative Rolle bei der Modegestaltung bekommen, ist das wahrscheinlich und grundsätzlich schon ein optimistischer Aspekt. Und wenn umweltbewußtes Recycling verschiedenster Materialien aus textilfremden Bereichen als reizvolle Herausforderung und gestalterische Chance beziehungsweise Inspiration verstanden wird, ist der modephilosophische Ansatz eigentlich schon perfekt. Aber mit dieser anspruchsvollen Umsetzung überrascht dann doch irgendwie, dass das etwas affektierte Fast-Fashion-Insta-Influencer-Publikum den etwas zu kleinen Veranstaltungsort mit seiner etwas überforderten Organisation geradezu überrent.
Die Aufgabe, wiederverwertetes Gummi, Biomaterialien aus Nüssen und Stoffen aus Restbeständen, darunter viele widerspenstige, robuste Materialien in Formen zu bringen, die ganz offensichtlich auch eine gewisse Eleganz erzielen wollen, ist eine echte Herausforderung, die die Designerin tatsächlich verblüffend überzeugend meistert, umso mehr, als ganzheitliche Gebilde angestrebt werden, von der Sohle bis zum Kopfputz. Dabei ergeben sich Silhouetten mit ausladenden Becken, mit schmetterlingsartigen Flächen und mit ausladenden Röcken, die trotzdem stets auch körperbetont sind, weil die Hüften schmal und kurvig bleiben. Mit der akzentuierenden Ausarbeitung dieser Zonen in der Hüfte bekommen die Outfits einen sehr weiblichen Akzent, der alle möglichen anderen Ausdehnungen in der Silhouette erlaubt. Letztlich ist aber jeweils ein fantasiegeprägter Leitgedanke die Basis der Gestaltungslust, die formalen Spieleien ordnen sich stets ein. Selbst die pointiert herausgestellten Recycling-Themen werden mit der Anmutung von Zukunft von rustikalen Klischees befreit und letztlich noch leicht und locker formuliert. In dieser ästhetisch ausgeprägten Herangehensweise ist das neu und optimistisch.
Mit dem Verständnis des harmonischen Miteinanders von Nachhaltigkeit und Kreativität teilt sich, zum Beispiel bei der Verwendung der widerständigen Materialien, auch die Lust mit, die oft haptisch oder optisch nicht so attraktiven Objekte (z.B. Gummireifen) neu zu erleben, sowohl im Zusammenhang des kreativen Einsatzes als auch als erweiternde Ergänzung des Körpers. Im Sinne des Letzteren werden die von Thierry Mugler ausgebauten, kraftvollen Schultern nun gedanklich zu Flügeln erweitert und als Leichtigkeit uminterpretiert, oft ergänzt durch ausladende Kragenkonstruktionen, die den Kopf konsequent in die fantasiegeprägte Gestaltkonstruktion integrieren. Das Make-Up und der Kopfputz setzen diese Idee fort.
Das ursprünglich Grobe bekommt einen eleganten Auftrag und wird dabei manchmal sogar sehr sexy.
Natürlich haben solche Gestaltungsexperimente mit Upcycling immer das Problem, mit Unikaten auf den Markt zu kommen. Aber dieser Gedanke sollte für neue Gestaltungsphilosophien sekundär bleiben. Entscheidend im Jetzt ist, dass wie hier der sympathische und optimistische Flair der Gesamtauffassung dieser zukunftsgeträumten Gestaltung erst einmal begeistert – das ist vielleicht der wichtigste und nachhaltigste Aspekt zum Stilbewusstsein von Maria Chany.