Marcel Ostertag Kollektion Revolution AW2017
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Andreas Hofrichter
Marcel Ostertag ist sicher nicht der einzige Designer, der seine Kollektion explizit mit einer persönlichen Botschaft begleiten will. Und nicht selten bleiben solche Anliegen eher banal oder romantisierend, wie an diesem Beispiel: schon das aufwändig gemachte PR-Heft hantiert in einer etwas verquasten Einleitung mit Formeln wie Origin and Home, Door from Nature to City, The Visible and Strong from the Unknown etc.
Ein auffälliger Touch von Country-Style findet sich dann auch in den berüschten Kleidern, weichen Pullovern, Mustern und locker fallenden Schnitten, es gibt viele Mäntel und Jacken, diverse stilistische Rückgriffe auf das 19. Jahrhundert und die folgende Jahrhundertwende und hochgeschlossene Blusen. Nicht im Sinne von derb oder fest, Ostertags urbane Gestaltungs-Perspektive mit weichen und auch modernen Stoffen, lässigen Schnitten und großstädtischen Kombinationen bleibt stets sichtbar. Soweit ließe sich einem zeitgemäßen Rückgriff auf Natur mit toscanischem Landsitz, Park mit neuem Auto, See mit Bronzereihern am Ufer (Heft und Video) und so weiter noch folgen, auch wenn die Kleider mit Retrotouch, verspielten Rüschenapplikationen und Musterwiederholungen etwas langweilen. Als Gestaltungsthema, das jede Kollektion ja auch haben sollte, ist das soweit jedenfalls völlig in Ordnung. Über den anmaßenden Titel Revolution kann man ja auch hinwegsehen.
Aber die Schau geht darüber hinaus und präsentiert den Leitgedanken mit viel Brimborium und selbstgefälliger Ernsthaftigkeit. Eine 5-minütige Video-Einleitung mit wechselnden, inhaltsleeren Statements der Beteiligten, die sich mit ihren Kommentaren selbst und gegenseitig feiern, akzentuiertem Produktplacement des Auto-Sponsors, flotten Schnitten und ziemlich aufdringlicher Lautstärke fordert dem Publikum anfangs viel Nervenstärke ab.
Auf dem Laufsteg danach langsam schreitende Modelle mit wenig aufregenden Entwürfen. Es vermischt sich sommerliche Leichtigkeit und herbstliche Farbgebung, gelegentlich ist das auch sexy (es gibt noch kurze Röcke und taillenbetonende, knackig rote Gürtel). Auffälliger sind aber eher unförmige Kleider, die sehr weit sind und im Rückenbereich senkrecht herabfallen und die eher Bequemlichkeit im Schlumpi-Look assoziieren als lässig-pfiffige Eleganz. Die Rückkehr des praktischen, anspruchslosen Hauskleids. In ähnlichem Sinne gilt das auch für Mäntel, Jacken und diverse Kombinationen, nicht immer, aber oft.
Zum Schluss kommt ein sehr mitteilsamer Marcel Ostertag auf den Laufsteg und erklärt missionarisch seinen Revolutionsgedanken mit Rückkehr zu Langsamkeit und Rückbesinnung auf Ursprüngliches. Das dauert etwas.
Am Ende des Laufsteges steht ein rotes Auto des Sponsors (das laut Begleitvideo eigentlich noch den Laufsteg auf- und abfahren sollte, dafür war aber alles zu eng) – auch das ist nicht gerade eine souveräne Lösung für einen sachlich und ästhetisch überzeugenden Auftritt.
Mit früheren Schauen haben wir Marcel Ostertag deutlich spannender in Erinnerung als mit dieser Revolution.