Ausstellung LOUVRE COUTURE, Louvre Paris
Text: Gerhard Paproth
Bilder: © Musée du Louvre / Nicolas Bousser für den Ausstellungskatalog
Aus dem aktuellen Trend, Mode im Kunstmuseum zu zeigen, hatte sich der Louvre bisher herausgehalten, nun hat er eine spezielle Lösung gefunden, die nicht nur tragfähiger ist, sondern auch schlüssiger als anderswo. Er schreibt damit Kulturgeschichte fort, in Konzentration auf den prachtvollen Palast, der der Louvre als einstiger Sitz französischer Könige ja eigentlich ist. Der Ort, wo nun exquisite Mode der jüngeren Modegeschichte präsentiert wird, ist also das Labyrinth von Prunksälen und -gängen und eben nicht der seiner separierten Kunstsammlungen. Malerei ist in diesen Bereichen eher Teil des jeweiligen Raumambientes und das luxuriöse Raumambiente ist der geistig-kulturelle Zusammenhang für die hinein gestellten Modeexponate.
Diese Prunkräume erfassen die repräsentative Historie der französischen Innenraumpracht von Byzanz über Rainaissance, Rokoko bis Napoleon III. Letztlich wird mit dieser Ausstellungskonstellation die Mode ab Mitte des 20. Jahrhunderts, genauer die Haute Couture, als Fortsetzung höchsten Luxus‘ präsentiert, die sie ja faktisch auch ist. Augenfällig wird das unter anderem in der Korrespondenz der modernen Textilkunst mit den wertvollen Bildteppichen beziehungsweise Gobelins. Im Kontext mit dem Kunsthandwerk der französischen Historie hat man das Gefühl, dass in der Kontinuität bis heute eigentlich nichts offen geblieben ist.
Und ein weiterer Wahrnehmungsaspekt stellt sich ein: scheinbar wie menschliche Erscheinungen beleben die Mannequin-Figuren die historischen Räume, und trotzdem repräsentieren sie selbst auch historische Exponate mit eigener, späterer Geschichte. Dabei geht es keineswegs um Aufwertung moderner Modeentwürfe, das hat Haute Couture nicht nötig, die Kuratoren haben das beste und aufwändigste zusammengesucht, was die französische Modegeschichte (und -kultur) geprägt hat. Alles kann ästhetisch mithalten mit den aufwändigen Interieurs, in die es gesetzt wurde. Man darf nicht vergessen, dass Mode (neben Kulinarik) eine, beziehungsweise DIE wichtigste Gegenwartskultur in Frankreich, respektive Paris, ist, eine Vorstellung, die zum Beispiel Deutschland völlig fremd ist. Während repräsentierender Einrichtungsprunk längst keine Rolle mehr im modernen Frankreich spielt, setzt die Haute-Couture-Mode nun auf anderer Ebene fort, was in diesen historischen Räumen vorgeführt wird.
Die Ausstellung ist also weniger eine Gegenüberstellung als die Fortschreibung der Sammlungen der Geschichte der dekorativen Künste, ihres Handwerks und des Ornaments. Dabei ist für den Franzosen die Grenze zwischen Kunst und Kunsthandwerk traditionell durchlässiger als für uns, das ist essentiell für die kulturelle Perspektive, und die kreativen und handwerklichen Bezugnahmen der Haute-Couture-Mode sind freier, schließen Kunst und Geschichte ein – und positionieren sich in diesen Kontext mit ihrem extrem hohen und aufwändigen Anspruch.
Mit solchem Grundverständnis der Kuratoren ist der Parcours dieser Präsentation höchst exquisit. Und auch patriotisch, wenn man so will, denn immerhin verfügt Frankreich seit Dior über die anspruchsvollsten Modehäuser überhaupt, wo internationale Topdesigner sich einfügen und nicht umgekehrt. Frankreich hat den Begriff Luxus geprägt und stets tonangebend gefüllt, gegen alle Wirtschaftsbewegungen bis heute erfolgreich. Mit einem Niveau, das jetzt diese Ausstellungspräsentationen in allen historischen Prächtigkeiten erlaubt. Mit Stolz führt die zentrale Kultureinrichtung Louvre hier die Noblesse der Frankreich-spezifischen Kultur vor. (Parallel übrigens – auch im Anspruch – zur Neueröffnung von Notre Dame.)
Die Inszenierung erweist sich ausserdem souverän in der Anschauung, ohne das Sehvergnügen durch intellektuelle Befrachtung zu steuern. 99 Exponate aus der Haute-Couture sind elegant und kongenial auf die historischen Raumambiente verteilt, über 9000 m2 im ersten Stock in den nördlichen «Richelieu»- und «Sully»-Flügeln an der Rue de Rivoli, also gegenüber der Kunstsammlung, eine lange, sinnliche Reise in so noch nicht vorgeführter Manier. Von Dior über Chanel und Loewe bis Yamamoto und Iris van Herpen sind die großen Häuser und Designer mit herausragenden Stücken vertreten.
Die Referenzen der Modestücke zum gewählten Interieur sind verschieden: Manchmal eher atmosphärisch, manchmal stilistisch, manchmal gibt es Korrespondenzen im Handwerklichen. Der Ausstellungsparcours ist lang und anstrengend, sehr reichhaltig aber unkompliziert zu goutieren. Infos zum Hintergrundwissen ist, wenn man neugierig wird, auf der prägnanten Exponatbeschilderung nachzulesen, mehr Wissenschaftliches oder Didaktisches ist nicht angelegt. Es gibt auch keine zwingende Abfolgelogik, vielmehr ist ein lockeres Flanieren mit beliebigen Verweilstops angesagt, bei dem man auch einiges verpasst und anderes zwei Mal sieht. Großer ästhetischer Anspruch, unprätentiös nahegelegt.
Wir haben fast alle Exponate in ihren Räumlichkeiten mit den gegebenen Referenzen sorgfältig fotografiert aber, wie auch andere Medien, keine Veröffentlichungsgenehmigung dafür bekommen. Viele atemberaubende Anschauungen entfallen somit leider. Wir zeigen darum hier „offizielle“ Fotos aus vorgegebenem Angebot in Abweichung unserer üblichen Praxis und in nur kleiner Auswahl – weil es das trotzdem wert ist. Es sind alles Aufnahmen für den Katalog (© Nicolas Mathéus) vor der endgültigen Positionierung der Exponate.
Bis 21. Juli ’25 läuft diese Ausstellung und wer bis dahin einen Paris-Aufenthalt im Visier hat, sollte sich dieses einmalige Erlebnis nicht entgehen lassen.
Balenciaga – Demna, 2023-2024:
Balmain – Olivier Rousteing, 2023:
Chanel – Karl Lagerfeld:






