Looktests MBFW AW15
In der L’Oréal Professionnel Académie Berlin
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Marcello Rubini
Die Looktests im Vorfeld des Catwalk sind quasi eine interne Veranstaltung der neben den Modeschöpfern doch so wichtigen, aber zu selten erwähnten Designer der Modeschauen, nämlich der Friseure und Make-Up-Artisten – dabei hängt von Ihnen durchaus das Wohl und Wehe, die Gesamtwirkung der vorgeführten Kleidung und Accessoires ab. Hier erlebt man, im Atelier von L’Oréal Professionnel, wie aufregende Kreationen entstehen oder schlichte, aber wirkungsvolle Frisuren und Make-Ups den Geist der gezeigten Kleidung ergänzen und reflektieren und wie Modedesigner gemeinsam mit fantasievollen, einfühlsamen und handwerklich perfekten Visagisten und Hair-Designern die Vorführung der Kleidermode in ein wirkungsvolles Ganzes transferieren. Nach wie vor sind André Märtens (Hair) und Boris Entrup (Visagistik) die verantwortlichen Köpfe der Gestaltungskonzeptionen und der großen Teams im Backstage.
Für uns sind die Looktests jede Saison die beste Einstimmung auf die bevorstehenden Schauen.
Wir treffen meistens die Modeschöpfer selber an – nur wer sein Domizil weit entfernt hat wie zum Beispiel Lena Hoschek, schickt instruierte Stellvertreter. Letztere wünscht ja meistens recht radikale Schminkvarianten, wie auch dieses Jahr, was sich dann in der Hoschek-Schau selbst aber stets weniger offensiv einpasst als befürchtet.
Wir trafen dieses Jahr Anne Gorke, die ja nun schon zum 5. Male und mit wachsendem Erfolg dabei ist und die nicht ohne Stolz Gestaltungskompetenz „aus der Provinz“ vertritt. Anne Gorke ist jung und sehr lebendig im Auftreten, sie versprüht Lebenslust und gleichzeitig den Eindruck, zu sich selbst gefunden zu haben.
Sie steht zu den Wurzeln und Einflüssen aus ihrer Heimatstadt Weimar und hat mit der kommenden Schau auch konkret auf Bauhausästhetik und –gedanken Bezug genommen. Enger Kontakt mit Produktdesignstudenten ihrer Generation dort führt zu gemeinsamen Projekten und befruchtet in Gruppen und Teams die ästhetischen Vorstellungen, die sich der bauhaus-Schule verbunden fühlen.
Die kommende Kollektion beschreibt Anne Gorke nun als „systematischer“, d.h. klare Linien, geometrische Konstellationen, besonders in Farben und Texturen, und insbesondere eine „ästhetische Ruhe“ finden nun eine orientierende Prägung.
Der Leitgedanke dahinter ist aber nicht so formal, wie sich das anhört, sondern ist der Entwurf von „Kleidern, mit denen man durch den Tag kommt“. Kleider für Frauen, die das Leben anpacken, frisch, handfest und aktiv, Frauen, die dabei gleichzeitig eine mühelose Weiblichkeit verkörpern. Witz und Leichtigkeit zeichnet sie aus und auch Unkompliziertheit im Erscheinungsbild. Entsprechend einfach ist die zugewiesene Bob-Frisur, die nicht „frisiert“ daherkommt, sondern sich in momentanen Zuständen präsentiert und ein Make-Up, das einerseits zurückgehaltene Akzentuierung und Gorkes „Yo Madame“ repräsentiert und zugleich an den Augenrändern etwas Glitzer aufträgt.
Provinz, behauptet Anne Gorke, ist spannender als die Stadt. Die Provinz-Stadt Weimar selbst hat dies in seiner Geschichte ja auf verschiedenste Weise immer wieder überzeugend in den Kulturraum gestellt und der große Zuspruch, den Anne Gorkes Gestaltungskonzept findet, unterstreicht das Statement für die Gegenwart. Berlin darf also gespannt sein.