Die Designerin im Gespräch mit modaCYCLE – Berlin FW aw2017
Interview: Gerhard Paproth (M)
Bilder: Andreas Hofrichter
Nach der Modenschau hatten wir die Gelegenheit mit Frau Hoschek ein Hintergrundgespräch zu führen. Die komplette in Berlin präsentierte Kollektion findet sich am Ende des Interviews.
MODACYCLE: Frau Hoschek, wie viel Sex sollte attraktive Mode haben?
LENA HOSCHEK: Es kommt immer auf die Trägerin an. Ich finde Mode kann sehr viel Sex haben, aber die Trägerin muss das ganz selbstbewusst rüber bringen, ganz selbstverständlich.
M: Aber der Designer konzipiert ja erstmal den Gedanken.
LH: Ja, das ist völlig richtig, Sex in der Mode kann der Designer immer konzipieren, aber die Kundin ist die einzige, die entscheidet, ob sie dies trägt oder nicht.
M: Gibt es da auch einen Bezug zu Ihren Retro-Sachen, etwas, was Sie daran besonders sexy finden?
LH: Ja, doch, ich bin schon immer auf diese kurvigen Figuren der 50er Jahren gestanden. Damit bin ich aufgewachsen und da war immer ganz stark die Taille im Fokus. Das war schon sehr prägend für mich.
M: Ihre Kollektionen sind immer sehr vielseitig zum jeweiligen Thema, das braucht ja viel Inspiration. Was sind Ihre wichtigsten Quellen?
LH: Ich glaube ich selbst. Ich habe schon als Kind eine unbändige Kreativität gehabt – die Antennen für den ganzen Unterbau dafür. Menschen, Künstlern, welcher Art auch immer, gehen die Inspirationen nie aus. Man kann eine Kollektion um eine Himbeere herum gestalten, wenn die Phantasie ausreicht. Das ist die Philosophie. Okay, lass uns philosophieren über diesen schwarzen Tisch: Jemand, der wirklich Geist hat und Esprit, kann schon über den Tisch philosophieren und verschiedene Themen hinein nehmen, die aber immer noch zusammen passen. Und ich glaube es ist eine Mischung von einer gewissen Art Intelligenz, die Dinge ganz inspirativ immer neu entstehen zu lassen, aber trotzdem verständlich zu bleiben und nicht völlig abzuheben.
Ich mag wahnsinnig gerne starke Models, die auch diese Klischees verarbeiten, zum Beispiel für meine Afrikakollektion – oder meine Betty Page Kollektion. Die war ganz stark von den späten 50er Jahren geprägt. Oder Ahoi für den kommenden Sommer, eine ganz maritime Kollektion, aber immer mit verschiedenen Stilelementen aufgewürzt – die das schon wieder ungewöhnlich darstellen, sich aber trotzdem immer innerhalb von meinem Ziel befinden.
M: Wie entsteht denn so eine Kollektion, wächst die langsam über einen längeren Zeitraum, oder kompakt indem Sie sich hinsetzen und sagen, die nächsten Tage mache ich nur die Kollektion?
LH: Nein, ich bin im Moment an den nächsten vier Kollektionen und mit Moodboards beschäftigt. Es ist immer so, wie ich gerade Lust habe. Ich arbeite extrem gerne auf Pinterest, ein sehr tolles, neues Medium, wo man ganz tolle Bildersuchen machen kann, anders als bei Google, wo man also nicht so viel Schund dabei hat sondern wirklich tolle, ästhetische Bilder. Da kommt man automatisch vom Hundertsten ins Tausendste, und da wird die Recherche rund um ein Thema sehr, sehr umfassend. Wichtig ist dabei die Kunst, das Material dann wieder sehr stark zu reduzieren. So dass man das dann zusammenzieht auf die Key-Looks.
M: Es bleibt ja dann immer noch viel übrig bei Ihnen.
LH: Ja, Tonnen! Da nimmt man eine Zimmerpflanze und macht daraus eine Wintergartenkollektion, das Material geht nie aus, da müsste ich 500 Jahre alt werden – oder die Lust in der Mode zu arbeiten würde vorher verschwinden.
M: Gibt es ein unterschiedliches Interesse an der Mode in Deutschland und in Österreich beim Publikum, was sich wo vorteilhafter verkauft?
LH: Das kann ich so nicht beurteilen, denn ich halte nicht viel von Klischees. Wir verkaufen die Kollektion im gesamten deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich.
Da gibt es gewisse Regionen in Österreich, wo man mehr Trachten trägt, da wird meine Trachtenkollektion mehr gekauft, Kleider die ethnisch inspiriert sind, gehen dann mehr. Aber sonst sehe ich da kaum einen Unterschied. Man muss auch dazu sagen, meine Produkte sind relativ einschlägig. Und die Fangemeinde, die Kunden, die meine Sachen kaufen, die mag den Stil. Und die sitzt überall.
M: Sie haben ja mal mit Ihrem Laden auf Berlin gesetzt. Und den gibt es leider nicht mehr.
LH: Ja, den gibt es leider nicht mehr. Wir haben da ein paar Missgriffe gemacht, was die Immobilie betrifft. Wir waren ja zuerst in Mitte, und Mitte ist damals riesig expandiert und hat total geboomt, aber dieser Mitte-Boom ging damals in eine andere Richtung. Es sind ja seinerzeit alle Designer hingezogen und haben gedacht, das ist die neue Friedrichsstrasse. Das ist dann nicht so geworden. Und natürlich ist da die Kaufkraft letztlich viel geringer gewesen. Ein Adidas Laden, oder jemand der seine Jutebeutel dort verkauft, oder T-Shirts, das ist okay, aber bei uns kosten die Kleider dann schon ab 400 oder 500 Euro aufwärts. Und da war die Kundschaft erstmal nicht bereit dazu. Wir haben einen Kundenstamm langsam aufgebaut, die sind hingekommen, es gab aber auch viel Laufkundschaft. Das Schöne an dem Laden war, das wir in Mitte sehr viele Kunden aus aller Welt angesprochen haben. Die zwar nicht beim ersten Mal gleich gekauft haben, aber die ganze Mode gedanklich mitgenommen und dann im Onlineshop bestellt haben. Und der Onlineshop war ja auch dort situiert und ist total explodiert. Wir sind dann umgezogen wegen des Onlineshops. Es wäre nicht gegangen, das Personal zu verdoppeln, um beides zu haben. Und so sind wir schließlich an eine Location gekommen, die groß genug und auch schön war und wir haben gesagt ja, super. Und ich habe meiner damaligen Chefin in Berlin vertraut – ich als Nichtberlinerin hatte echt keine Ahnung, dass so entlegen kein Kunde mehr hinfährt. So haben dann alle unsere Berliner Kunden auch nur noch online gekauft. Der Laden ist damit richtig bergab gegangen, und der Onlineshop ist gleichzeitig immer mehr gewachsen. Ich habe dann überlegt, wozu soll ich den Onlineshop in Berlin halten, wenn doch meine Firmenzentrale in Wien ist. Eine ganz normale unternehmerische Entscheidung; auch wenn das natürlich nicht gut für die Presse klingt, wenn man einen Laden schließt.
M: Das klingt doch sehr überzeugend, was Sie da erklären.
LH: Und wir haben in Wien einen Flagship-Store im ersten Bezirk eröffnet und ich hätte nie gedacht, dass das so boomt. Es ist gigantisch, die Lage… Früher haben immer alle gesagt, Lage, Lage, Lage ist wichtig. Ich hatte aber geglaubt, man könne sich überall einen Namen machen – durch Mundpropaganda, durch tippeln. Aber ich habe dann gemerkt, wo das in Berlin nicht gelaufen ist, war natürlich die Lage schuld.
In Wien sind wir vom siebten in den ersten Bezirk gezogen, also jetzt sind wir am goldenen Quartier, und die Umsätze sind so explodiert, dass wir alle Businesspläne haben umschreiben müssen, es ist gigantisch. Wirklich cool.
M: So, und nun komme ich noch auf die aktuelle Kollektion zu sprechen. Die folkloristischen Aspekte sind weg?
LH: In dieser Kollektion ja, in der nächsten kommen die wieder. Die kommen und gehen, ich wechsle eigentlich immer zwischen Ethno und Retro, damit auch mir nicht langweilig wird.
M: Oft ist es doch auch gelungen, das zu kombinieren, durch die Schnitte.
LH: Auch das, ja natürlich. Aber ich habe es nicht notwendig gefunden, die Mickey-Mouse mit ethnischen oder Trachtenelementen zu verbinden.
M: Was steht den hinter der Mickey-Mouse?
LH: Pop steht im Zentrum.
M: Ich hatte eher die Erinnerung an Fiorucci, 80er Jahre, wo 50s zitiert wurden.
LH: Ja genau. Meine Intention war eigentlich eine sehr hedonistische Kollektion, die völlig unbeschwert ist, wo ich die Prinzessin rauslassen kann und die eigentlich auch für sehr laute Frauen gedacht ist. Dazu der Girl-Band-Soundtrack. Ich bin aufgewachsen mit Punk, mit Grunge, und die Protagonisten waren damals ganz weiblich in dieser Zeit. Sie haben Pink getragen, Leopardenprints und sie hatten Lippenstift. Und da war der Feminismus meiner Meinung nach viel weniger unterkühlt als heute. Diese Zeit ist weg.
M: Zielt Mickey-Mouse jetzt auf eine jüngere Gruppe?
LH: Das sehe ich nicht so, ich bin 35 und auch meine Eltern können mit Mickey-Mouse etwas anfangen.
Und schon in den 80ern gab es eine starke Verbindung zu 50s-Elementen, einen riesen Hype, da war überall Mickey-Mouse. Eben, Fiorucci, da waren so ganz typische Designer, die damit groß geworden waren.
M: Ich weiß nicht ob Sie hier viel herumgelaufen sind?
LH: Leider viel zu wenig, …
M: … es sind hier ganz viele junge Bloggerinnen,
LH: … die neuen Medien …
M: … ja, das ist aber auch ein anderes Publikum. Das mischt hier die ganze Wahrnehmung von Mode auf. Und das habe ich gleich assoziiert mit Ihrer Mickey-Mouse. Ich habe gedacht, ja ok, also die jungen Bloggerinnen und diese frische Mickey-Mouse, auch diese kräftigen Neonfarben, dieses kräftige Rosa, für mich gibt es da eine Verbindung.
LH: Ich glaube auf jeden Fall.
Die verwendeten Mickey-Mouse- Charaktere, das sind die alten, die so ja gar nicht mehr von Disney produziert werden. Die Mickey-Mouse hat sich ja sehr stark verändert. Ich weiß nicht ob Sie die neuen kennen?
M: Ich kenne nur die alten, aus meiner Jugend,…
LH: Ich bin ja eher ein Fan der alten Disney Generation, die neue Generation hat eigentlich nichts mehr mit dem klassischen Disney zu tun, Walt Disney war für mich immer einer der ganz großen Vorbilder. Er und Oscar Wilde. Walt Disney habe ich immer faszinierend gefunden, jemand der zeichnen kann und darauf ein Imperium aufgebaut hat. Die Leute haben in den 40er Jahren, anders noch als jetzt, immer gesagt „lern was Ordentliches – das ist ja kein anständiger Beruf“! Beeindruckend stattdessen, wie da mit Talent und Fleiß und Biss jemand so ein Imperium aufbaut, um eigentlich nur eine süße, kleine Comic-Figur, das finde ich faszinierend