Berlin Fashion Week aw2019, E-Werk
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Andreas Hofrichter
Was Lena Hoschek vielen anderen zeitgenössischen Modedesignern voraus hat, ist ihr enorm breites Potential an Schnitten, dessen Vielfalt immer wieder verblüfft. Ganz gleich, was für eine Leitthematik sie für eine Kollektion ersinnt, der Variantenreichtum wird damit groß und abwechslungsreich. Mehr als irgendwelche modischen Trendkennzeichen, die durchaus auch einfließen können (wie das angesagte Karomuster), erschließt sie zu ihren Kollektions-Themen mit viel Recherche stets ein breites Gestaltungsfeld der Spezifika, aus dem sie dann ihre eigenen Kreationen herausfiltert.
Ein dritter Aspekt ihrer Mode ist die Liebe zum Frauenkörper, die sie immer deutlich macht, die mit ihren Schnitten korrespondiert und die wohl auch in entscheidender Konsequenz ihr Schaffen motiviert. Eine Weile schickte sie ja auch kurvige Modelle auf den Laufsteg, das war ungewöhnlich und hinreißend, davon ist leider nicht mehr viel übrig geblieben. Die Zielgruppe ist allgemeiner geworden, auch in der Altersstruktur.
Und es gelingt Lena Hoschek, alle Ingredenzien ihrer Couture auf den Frauenkörper zu beziehen, ob Karomuster, Latzröcke, hinzugefügte Hosenträger oder Herrenwesten, das macht ihre Kollektionen eigentlich immer sexy. Angesichts der vielen Bestrebungen, Mode gendergerecht anzulegen, also eher geschlechterneutralisierend, und gegenüber den unzähligen Versuchen, dekonstruktivistisch körperferne Architekturen aufzubauen, besetzt Lena Hoschek bewusst und leidenschaftlich eine entgegengesetzte, klassische Position, geradezu anachronistisch. Ihr Image als 50s/60s-Liebhaberin ist äußerlich vielleicht eine Rechtfertigung für die Retro-Haltung. Aber sie findet und bedient ein Publikum, das mit dem banal-praktischen Streetwear-Konzept nichts anfangen kann und trotzdem eine zeitgenössische Frische und Sexyness für sich sucht. Auch und gerade im Alltag.
Allerdings stimmt ebenso, dass das Maß an bürgerlicher Angepasstheit oft nicht mehr zu übersehen ist. In ihrer frühen und wohl auch besten Phase brachte Lena Hoschek sogar eigene Modelle mit, die mit Sexyness à la Ellen von Unwerth offensiv den Laufsteg aufmischten und ein völlig begeistertes Publikum in Partystimmung zurückließen. Damit war die Österreicherin sogar in Berlin einzigartig, denn lokale Modelle sind fad. Das ist längst vorbei, aber von der Essenz dessen ist noch immer ein ausdrucksstarker Funke zurückgeblieben, der selbst dem spießigsten Rock eine besondere, weiblich-selbstbewußte Seele verleiht.
Und eben auch darin liegt eine Stärke der Designerin: sie formuliert Bekanntes spannend, Biederes sexy und längst Vergessenes neu und überraschend. Westernschuhe, -hüte, Schlips, Jeans, Schlägermütze – allem gibt sie einen neuen Dreh. Außer Gürtel, Halstuch und Hut braucht sie auch nicht mehr die vielen verspielten Accessoires, um die nostalgischen Verknüpfungen herzustellen, im Umgang mit ihren Themen wird sie sowieso freier und souveräner. Den Westernlook – das Thema dieser Kollektion – hat sie natürlich gut recherchiert und gewinnt daraus erfrischende Ableitungen, ohne männlichen Implikationen Platz zu lassen. Und wer sich ein wenig auskennt z. B. im betreffenden Filmgenre, weiß, dass das Frauenbild im Western eben gar nicht immer von Unterlegenheit geprägt war sondern oft von Powerfrauen (Petroleummiezen, Bad Girls, Female Bunch u.v.m.), die den Drive bestimmten. Und die durften eben nicht nur sexy sein, sondern zogen – neben der Chuzpe – daraus das Mehr der Überlegenheit.
Insofern relativiert sich die oft geäußerte Kritik an Lena-Hoschek-Mode, eher bieder zu sein, in einem wichtigen Punkt: kraftvolle Weiblichkeit, ohne aufgesetzt daherzukommen, kennzeichnet noch immer das Wesen ihres Gestaltens und darüber hinaus findet sie unglaublich viele Gestaltungsvarianten, die ihre Schauen zeitgenössisch und reizvoll machen. Der Spass der Designerin an den Ideen (und Vorlagen) überträgt sich fast durchgehend mit dem, was als Kollektion dabei herauskommt – auch das gehört zum Vergnügen an ihrem Gestaltungskönnen.
