50s, Folklore & Sexappeal – Lena Hoschek auf der Fashionweek Berlin AW 2011
Text: Marcello Rubini
Bilder: Boris Marberg
Lena Hoscheks Show am ersten Tag hatten wir schon mit großen Erwartungen entgegengesehen, ist sie doch eine der wenigen Designer, denen es gelingt, dem Pin-Up- und Retro-Zeitgeist der der Fifties eine reizvolle, gegenwärtige Ausprägung zu geben. Bei der letzten Show Spring/Summer 2011 überraschte die Österreicherin mit einer Kombination von 50s-Style und Fetisch Accessoires bzw. –applikationen, was schier atemberaubend sexy und kraftvoll daherkam und die Models traten auch mit entsprechender Verve auf. Das zu toppen oder auch nur weiterzuführen versprach aufregend zu werden. Dies allerdings löste Lena Hoschek mit der Wintermode eher nicht ein. Stattdessen besann sie sich auf raffinierte Schnitte und reduzierte die akzentuierenden Accessoires auf Brillen, Schleifen und Blumen (vorwiegend an Krägen) und diverse Frisurapplikationen.
Das dunkle Augenmakeup wirkte leider etwas unentschiedener als zuvor und die aufwändig-komplexen Frisuren erschienen eher etwas „altmodisch“ als peppig, wenn auch der 60s-Style hier unverkennbar die Vorlage gegeben hatte. Die coolen Leoprintlatexstrümpfe wechselten nun mit zum Teil recht altbackenen Kniestrümpfen und schwarzen Blickdichten oder Wollsocken, wohl ein Zugeständnis an kalte Jahreszeit in Österreich und weniger an erotischen Zauber. Überzeugend aber waren die meisten Kleider – die bekannte Kombination aus Retro, Österreich-Folklore, alltagstauglichem Pfiff und mitschwingendem Sexappeal.
Verschiedenste Stoffe mit kräftig leuchtenden, opulenten Blumenmustern, Streifen und auffällig vielen Karomustervarianten, akzentuierende Farbkontraste mit schimmernden Satinoberflächen und sogar Spitzenstoffe verarbeitet Hoschek zu stets weiblichen und pfiffigen Kleidern und Kombinationen. Klassische Schluppenblusen, hochsitzende Bleistift- und Tellerröcke, taillierte Jacken mit Schößchen – Hoschek schwelgt im großen Reservoir der Möglichkeiten der Vergangenheit, meist ohne auf den Anspruch an gewissen Sexappeal und Lebendigkeit zu verzichten. Ihre Liebe zum Detail und zu einfallsreichen Gesamtkonzept schien reifer geworden zu sein, der Reiz vieler Entwürfe schien ganzheitlicher und weniger durch die Addition der Teile bestimmt. Hoschek bedient sich mit großer Gestaltungsliebe in einem scheinbar unerschöpflichen Repertoire fast vergessener Schneiderkünste und diese vielen (Wieder)Entdeckungen und Kombinationen machen letztlich den großen Reiz ihrer – auch stets tragbaren – Kollektionen aus.
Die sehr abwechslungsreiche und liebevoll zusammengestellte Kollektion Herbst/Winter 2011machte wieder viel Spaß und sorgte durchweg für lockere und gute Laune. Schon das schöne, ungewöhnliche Präsentationsambiente mit unzähligen Orientteppichen auf dem Boden, großem, hübschem 50s-Ambiente in Hintergrund und passender Retromusik gab den passenden Rahmen, in dem auch einige recht konventionelle Präsentationen einen gewissen Flair mitbekamen.
Zwar blieb dabei die atemberaubende Rasanz der Zeitgeistinterpretation der Spring-Summer-Kollektion von Lena Hoschek zugunsten der folkloristischen Akzentuierung und eher unterschwelligen Sexappeals auf der Strecke, dennoch war die Hoschek-Show wieder definitives Highlight der Fashionweek.