Keine Nische, sondern Abseits

Keine Nische, sondern Abseits

Mode Suisse Edition 15

Text & Bilder: Boris Marberg

Mode Suisse Edition 15

In Zürich fand vor ein paar Wochen im Wirbel der großen Modewochen nun bereits zum fünfzehnten mal die kleine Präsentationsplattform für junges Modedesign aus der Schweiz statt; im Museum für Gegenwartskunst. Eine gute Gelegenheit mit etwas Abstand und Ruhe zu sehen, wo Mode aus der Schweiz steht, stehen kann und wie sie im Vergleich zum gesamten Umfeld in der Branche steht.

Präsentiert wurden neun Designer und zwei Absolventen in einer einzelnen großen Schau. Die Namen und Marken der Designer haben im Vergleich zu den letzten Editionen einen Wandel vollzogen. Neue Gesichter und Ansätze sind zu finden gewesen. Auch das spricht dafür den Blick auf das Umfeld nicht zu verlieren.

Allerorts ist die „Krise“ in der Modebranche und auf den entsprechenden Veranstaltungen allgegenwärtiges Gesprächsthema: Ob es sie überhaupt gibt, wen sie betrifft, was in Veränderung ist, welche neuen Ausrichtungen notwendig sind. Mehrfach haben wir schon darauf hingewiesen, dass gerade die großen Volumenhändler sehr stark unter Druck gekommen sind. Immerhin machen diese in den westlichen Entwicklungsländern einen sehr großen Teil des Gesamtumsatzes, welcher mit Bekleidung erwirtschaftet wurde. Wenn man sich die Statistiken allerdings anschaut, zeigt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Klar ist aber, für Mode wird weniger ausgegeben als in den vergangenen Jahren und einzelne Segmente sind härter umkämpft als andere. Nur vereinzelt können Marken insgesamt in der Branche noch zulegen, was allerdings auch zu Lasten anderer Marken geht. Davon ist auch der Modemarkt in der Schweiz stark betroffen – und zwar in allen Segmenten. Wenn man nun die Erfolgsaussichten und die Möglichkeiten sich als kleines junges Modelabel anschaut und versucht in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen, wird immer wieder davon gesprochen Designermode aus der Schweiz sei eine Nische (in den meisten europäischen Ländern verläuft die Selbstwahrnehmung und Argumentation zurzeit genau gleichartig). Vieles spricht dafür, dass diese Annahme falsch ist, dass junges Design sich nicht in einer Nische wiederfindet, sondern vielmehr Abseits des eigentlichen Marktes stattfindet. Diese Narrativ, man sei klein, in einer Nische und habe deshalb nur begrenz Zugang und Entwicklungsmöglichkeiten blockiert und verzerrt den Blick auf die Realität und limitiert unnötig. Auch wenn bei vielen Modedesignern der jüngsten Generation das Selbstverständnis irritierende Wendungen dahingegen nimmt, sich als „Investmentmanager“ zu sehen, sich konsequent auf wirtschaftlichen Erfolg auszurichten, ist der Kreative im Kern doch anders gestrickt. Ansonsten würde ein Modedesigner auch keine Mode mehr machen, sondern könne gleich vor den Marktkräften kapitulieren.

Dem ist aber nicht so. Gerade kleine Labels mit ihrer hohen Innovationskraft und einem direkten Zugang zu ihrer Kundschaft und dem entsprechenden sozialen Umfeld haben die Chance reflektierte Produkte zu generiere, die eine hohe Akzeptanz bei ihren Kunden haben und nicht Marktzwängen generell unterworfen sind. Diese Mode kann eine gute Reflektion darüber sein, was in der Gesellschaft tatsächlich passiert, über sich Kleiden zum Ausdruck gebracht werden kann und auch muss. Diese Mode kann gut für das Gemeinwohl im Wandel sein. Nicht Themen und Zwängen ausgesetzt zu sein ist befreiend und erfüllend. Von daher mag es interessant und auch fördernd sein, wenn junge Modelabel sich in „edel Kaufhäusern“ wiederfinden. Das ist aber nicht deren originäre Bühne. Diese Bühne ist im Subtext der Gesellschaft zu finden. Und das ist eben keine Nische, sondern eben das (positiv konnotierte) Abseits von Fehlentwicklungen.

Innovation kann nur von jemandem rezipiert werden, der auch bereit ist, sich mit dem größeren Kontext dessen zu konfrontieren, was er in welcher Weise konsumiert. Und da ist es einfach ein Faktum, dass bei begrenzten Mitteln junge Menschen tendenziell mehr für ihr Mobiltelefon ausgeben, als sie bereit sind für Mode auszugeben, sich mit Bekleidung sozial zu positionieren. Das ist überhaupt nicht zu werten, sagt aber sehr viel darüber aus, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt und ausrichtet. Wenn man dies nüchtern annimmt, stellen sich ganz andere Fragen, die zwar nicht neu sind und immer wieder in den letzten Jahrzehnten diskutiert wurden, aber im Moment eben sehr aktuell sind. Wer seine Nische gefunden hat, hat die potentielle Chance zu „überleben“ sich im Markt also zu platzieren. Wer aber abseits dieser Mechanismen steht, benötigt eine ganz anders ausgerichtete Förderung. Mode in diesem Kontext ist ein essentieller und schützenswerter kultureller Akteur, der im Rahmen gesellschaftlicher Relevanz auch jenseits des Marktes unterstützt werden muss, denn der bereichernde Aspekt solcher junger innovativer Mode sollte nicht unterschätzt werden. Sie macht die Gesellschaft bunter, reicher an Reflektion und Wechselwirkung, gibt Impulse und schafft Räume für positive, das Gemeinwohl stärkende Bewegungen.

All dies im Hinterkopf habend, muss die Sichtweise auf Veranstaltungen wie die Mode Suisse differenzierter betrachtet und eingeordnet werden. Entsprechend werden die einzelnen Berichte über die Kollektionen und Kreationen, die in Zürich präsentiert wurden auch auf diese Aspekte im Gesamtkontext eingehen.

 

Keine Nische, sondern Abseits

 

Keine Nische, sondern Abseits
Collective Swallow

 

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HEAD in Genf (Bryan Colò und Quinh Bui)

 

Keine Nische, sondern Abseits
Amorphose

 

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Garnison

 

Keine Nische, sondern Abseits
Nina Yuun

 

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After Work Studio

 

Keine Nische, sondern Abseits

Forbidden Denimeries

 

Keine Nische, sondern Abseits
Mourjjan (Roland Rahal und Michael Muntinga)

 

Keine Nische, sondern Abseits
Jacqueline Loekito

 

Keine Nische, sondern Abseits
Jacqueline Loekito