Kann man der Mode überdrüssig werden?

Kann man der Mode überdrüssig werden?

Julian Zigerli

 

Text & Bilder: Boris Marberg

Tja, die Zeit rennt, der Herbst ist vorbei, der Winter kommt mittlerweile erst ab Januar und die Kollektion von Julian Zigerli für 2019, die Anfang September 2018 in der Züricher Altstadt gezeigt wurde (direkt aus dem Shop heraus) brauchte in der Rezeption doch erhebliche Zeit um sich zu setzen.

Der Kontrast, der in der Schau sichtbar wird zu dem, was als Thema für diesen Artikel angedacht ist, nämlich die Position der Massenmodeindustrie, ist recht groß. Gerade deswegen liegt es nahe, die ungestüme Kreativität des Schweizer Designers diesen Januar nochmal aufzugreifen und vorzuführen, denn ganz unmodisch steht dieser Tage die Entscheidung des Gerichts in Dortmund an, im KIK-Prozess.

Julian Zigerli führt ein kleines Label, ein kleines Unternehmen, dem man es nicht abnehmen würde, wenn es Ambitionen hätte „groß“ zu werden, „groß“ in dem Sinne, dass in erheblichen Stückzahlen produziert wird (werden müsste). Seine Mode steht seit Jahren für etwas Provokantes und bleibt spielerisch jugendlich, geradezu jungenhaft (auch wenn es reichliche Entwürfe für junge Damen gibt). Er macht Mode für Menschen, die sich ausdrücken wollen oder müssen, das notwendige Kleingeld mitbringen oder sich etwas leisten wollen. Farbe, Volumen, Dynamik, es ist alles da, was eine kleine, feine und ansprechende Kollektion ausmacht. Charme! Authentizität. Aber was hat das mit Überdruss zu tun?

Seit einigen Jahren und besonders im ausgelaufenen 2018 ist die Modeindustrie in immer stärker unter Druck geraten, so dass man heute von einer ausgewachsenen strukturellen Krise sprechen kann. Das können auch Fachzeitschriften und Kapitalprotagonisten nicht schönreden. Erst war es „ökologische Mode“ die als Kontrast aufzog, heute spricht man besser von nachhaltiger Mode, und die Heerschaar von Teenagern in der „westlichen“ Welt scheint die Lust zu verlieren, jede Woche das Taschengeld in Kleider zu investieren, die nach 4 Wochen „out“ sind und entsorgt werden sollten, denn die nächste Kollektion hängt schon an den Stangen in den Filialen von H&M, Zara, Uniqlo, Primark – um nur einige Volumenhändler zu nennen. Geld wird stattdessen für Handys ausgegeben und der Verdrängungskampf geht ungebremst weiter.

Tief sitzt in der Branche zudem die Angst an die Wachstumsgrenze zu kommen und geradezu zu platzen. Filialen müssen geschlossen werden und die ersten Konkurse in Europa werden abgewickelt. Noch wird Kapital vom entfesselten Markt in Konzepte hineingepumpt, die offensichtlich gar nicht langfristig funktionieren können. Sehr anschaulich kann gerade in der Modebranche gezeigt werden, wie ein vermeintlich teures „Lifestyle“-Produkt billigst in Masse hergestellt wird und globale Schieflagen mit sich bringt. Und die Angst geht noch weiter und ist auch nicht unbegründet. Im KIK-Prozess geht es nämlich um den Kern und die Ausgangslage der gesamten Branche – die Grundlage, die bereits moralisch und gesellschaftlich bröckelt, jetzt aber zu zerbrechen droht (eine gute Übersicht bietet der DLF): Es geht um die Verantwortung der Konzerne, für die gesamte Wertschöpfungskette und insbesondere um Menschenrechtsverletzungen (im weiten und engen Sinne) bei der Produktion. Sollte das Bestehen dieser Verantwortung im Urteil bestätigt werden, so wäre das Geschäftskonzept, in der dritten Welt billigst zu produzieren und hier teuer zu verkaufen, gescheitert und dargelegt, dass die Modebranche auf einem ziemlichen Holzweg ist.

Sicher, der Konsument habe auch die Verantwortung. Das wird zumindest behauptet. Man könne mit seiner Konsumentscheidung die Weltgeschicke zumindest beeinflussen. Das ist ein Irrglaube, denn menschliches Gewissen und die Bedürfnisbefriedigung sind sehr kurzsichtig. Wirksamer sind politische Grundsatzentscheidungen, die in rechtliche Mindeststandards weltweit einfließen und mittel- und langfristig für gerechten Ausgleich sorgen. Kaum eine Branche wie die Mode eignet sich seit Jahren besser dazu, diese Mechanismen aufzuzeigen – Produktionskosten, die selten im Bereich von mehr als 5% des Endpreises liegen, können schlicht nicht vernünftig sein. Mode an sich muss ja auch nicht vernünftig sein, zumindest in der Ausdrucksweise, aber wenn sie als individuelles Ausdrucksmittel überleben will, dann muss sie sich ändern und wegkommen von großen Marken und Händlern. In den Vordergrund müssen dann kleine Labels drängen, die bereit sind bei allen Schwierigkeiten Verantwortung zu übernehmen und auch Mode zu machen, für Menschen, die bereit sind, selbst ebenfalls Verantwortung zu übernehmen. Und hier schließt sich wieder der Kreis zu dem kleinen, sympathischen Label von Julian Zigerli.

 

Kann man der Mode überdrüssig werden?

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