Berlin Fashion Week SS2024 – Kurfürstendamm
Text und Bilder: Gerhard Paproth
Mit über zwanzig Kleidern aufwändiger Couture präsentierte Jasmin Erbas eine recht große und abwechslungsreiche Kollektion direkt auf dem Bürgersteig des Kurfürstendammes, die letzte Schau der Fashionweeksaison und für sehr gehobenen Anspruch.
Eher für ganz besondere Anlässe wie große Feste, Bälle, Hochzeit oder den roten Teppich ist jedes Unikat individuell konzipiert, gestaltet und hergestellt, ganz offenkundig sehr delikat und wertvoll für sich und im Detail. Haute Couture im klassischen Sinn eben, für die Berlin Fashionweek schon eine Besonderheit. Darüber hinaus setzen die Kreationen aber nicht auf Sicherheiten im konventionellen Sinn sondern sind mutig und, deutlich zeitgemäß, sehr sexy und körperbetont und auch dies nicht im üblichen Modus verbleibend. Jedes Kleid ist ein eigenes kleines Feuerwerk aufwändiger Verarbeitung der Stoffe, Schnitte und Applikationen, stets ornamental geprägt und schillernd. Die Verknüpfung mit Corsagen und pfiffigen Oberteilen aus der Dessouswelt assoziiert unverbrämt erotische Konnotationen und ist, gottseidank, auch so angelegt, dass man es beim Tragen nicht anders modifizieren kann als hier vorgeführt. Aber es gibt gelegentlich Transparenzen, die mit Stoffen in Nudetönen unterlegt sind, das hilft den weniger Mutigen. Das letztgezeigte „Korsettkleid“ zeigt dann noch ungewöhnlichen Witz im Arrangement – auch hier wird Sex im Agent-Provokateur-Style deutlich betont. Wenn dies als Hochzeitskleid fungiert, sind Eheerwartungen deutlich mitformuliert.
Dem Anspruch von Haute Couture verpflichtet sind die Materialien stets edel: transparente Stoffe, Spitze, Seide, Chiffon, Rüschen sowie eine Menge Glitzer und Perlen addieren sich zu atemberaubenden Oberflächen und skulpturalen Gebilden. Die lebendig gehaltenen Schnitte bestehen vorwiegend auf der erwähnten erotischen Freizügigkeit, auch bei langen Kleidern und mit opaken Stoffen. Der Kollektionstitel La Reine et la fleur verweist allerdings auch auf eine romantische Seite der Gestaltung, die sich ebenfalls durch die Kollektion zieht.
Es ist natürlich schön, dass im Rahmen der Fashionweek nun auch eine Haute Couture Veranstaltung hinzugetreten ist, denn eine solche ist ja für sich schon immer ein Hochgenuss. Inwieweit das konzeptionell für die Ausrichtung des Berliner Modestandortes relevant ist, kann man gut diskutieren. Insoweit sie aber gar nicht konventionell auftrat sondern dem Zeitgeist der anderen Schauen in nichts nachstand, kann man sie sicher so und so als Bereicherung verstehen.
Bei schwankendem Wetter fand die Veranstaltung auf einem offen abgesperrten Bereich des Bürgersteigs vor dem präsentierenden Unternehmen von Medicalthree (5-jähriges Jubiliäum) statt. Das gab sich durchweg als großzüger Gastgeber und verpflichtete sogar als musikalische Einleitung den deutschen Event-Geiger David Garrett für einen kleinen Auftritt vor einem Publikum, das mit VIPs aller Grade und potentieller Klientel reich bestückt war. Aber Kudamm-Zaungäste kamen auch auf ihre Kosten, der Touri trägt diese zufällige Berlinerinnerung dann aufgeregt per social Media in alle Welt. Auch das ist, als Randerscheinung, nicht schlecht für das internationale Image der Berliner Fashionweek.