Isabel Vollrath ss2022, Berlin Kraftwerk
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Boris Marberg
Der Dschungel ist ein Ort unserer Sehnsucht und zu Orten der Sehnsucht hat Isabel Vollrath auch gerne ein inspirerendes Verhältnis. So wie sie mit ihrer Venedig-Kollektion 2019 schon einen klassischen Sehnsuchtsort zum Bekleidungsthema gemacht hat, so tut sie es mit ihrer aktuellen Kollektion Tiger & Venus ebenso. „Verlorenes Paradies“ nennt sie diesen Ort Dschungel, der damit eher fiktiv ist als real, eine Utopie, wie sie selbst schreibt, und die ist natürlich romantisch.
Sie kam auf dieses Thema, solche Geschichten sind ja immer reizvoll, durch einen zugelaufenen Kater („Diego“) im Winter, der ihr ständiger Gast im Atelier wurde und mit dem sie eine leicht exotische Freundschaft entwickelte und andererseits inspiriert durch Tiermotive ihrer Freundin und häufigen Arbeitspartnerin Almut Warttinger, Textildesignerin, mit der sie den thematischen Plan entwickelte: „Ich wollte ein Universum schaffen – für Diego, die Tierwelt, die Natur, die Freundschaft – die Liebe. Ich griff zum Hörer und die Reise begann. Mit zarten Pinselstrichen und digitalem „Fine-Tuning“ entwickelte Almut meinen exklusiven, erträumt- utopischen Tropenwald, den ich anschließend in komplexen Druckrapporten auf ausschließlich nachhaltige Materialien drucken ließ… Im Rausch der Farben und Tiermotive versank ich monatelang in eine andere Welt, schuf einen Look nach dem anderen und ließ den Dschungel weiter, weiter, immer weiter wachsen. …“
Isabel Vollrath liebt das Spiel mit Volumenexperimenten und damit ist eine Liaison zwischen Gestaltung auf der Fläche und in der plastischen Form ein kongeniales Unterfangen, wenn die beiden Arbeitspartner dieselbe Leitidee verfolgen, zumindestens im Modedesign. Das experimentelle Spiel verfolgt sie auch bei dieser Kollektion, wir sehen „verspielte Ärmelpartien, raffinierte Fältelungen, bodenlange Couture, aber auch Mäntel, kurze Jacken und Hosen für’s Büro“, viel Grün natürlich mit ergänzenden und kontrastierenden Farben (Schwarz, Rot), Tiermotive, Blattwerk und gegengesetzten einfarbigen Teilen. Und immer wieder Schleifen und Bänder in verschiedenen Varianten, fast ein Markenzeichen, verblieben aus romantischen Perioden, mit denen man stets noch zusätzliche Akzente setzen kann. Auch jeweils als Signum über dem Fußknöchel.
Im zweiten Abschnitt der Schau kommen dann noch zwei schwarzweiße Versionen der grafischen Gestaltung hinzu, sehr dicht und ebenfalls üppig, die ist vielleicht der Entstehungszeit im Winter geschuldet und trotzdem eine schöne Variante.
So weit, so prächtig.
In der Rückschau hat Isabel Vollrath nun ihre Fähigkeiten der skulpturalen Schnitte und kurvigen Silhouetten zu souveräner Anwendung geführt und sich trotzdem eine spielerische Facette erhalten, die stets noch pfiffige Variationen hinzufügt. In der Verarbeitung ist sie stets ziemlich perfektionistisch, schon die Rapportsetzung der komplexen Prints ist eine ziemliche Herausforderung, die hier perfekt ausgeführt ist.
Als Designerin auf den Berliner Fashionweeks hat sie sich damit nicht nur selbst gut etabliert, sondern sie stützt auch das Catwalkprogramm wirksam, dass es in dieser Saison der vielen Ausfälle schon wie ein Rettungsanker erscheint. Ein wirklich schöner, immerhin.