IRENE LUFT – Champagner als Mode
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Wenn eine Designerin auf der Berliner Fashionweek über Jahre die hierzulande altmodische Vorstellung von Eleganz konsequent beibehalten hat, ist das sicher und nahezu ausschließlich Irene Luft. Dabei sind ihre Kollektionen mitnichten altmodisch, sondern stets, wie auch und gerade bei dieser Schau zu sehen, kreativ, innovativ und etwas avantgardistisch. Kongenialer Partner in diesem Sinne und bei dieser Schau war der Hairartist André Märtens, der abwechslungsreich, verrückt und erfindungsreich Frisuren dazu gestaltet hat, die zum Teil mit atemberaubenden Raffinessen Irene Lufts wunderbare Designs toppten. Hier hatte die Berliner Fashionweek mal wirklich was von internationaler Klasse.
Auch wenn die Dominanz der betörenden Spitzenoberflächen und –materialen diese Saison eine kleinere Rolle spielten, waren die Stofftexturen und Oberflächen doch von feinsten Strukturen geprägt, womit die schlichte Oberfläche immer wieder aufgelöst wurde in Reliefs und Tiefenschichten. Irene Luft ist die Meisterin der Transparenzen, Kleidung dient bei ihr immer der bewussten Wahrnehmung des Körpers und aller seiner Reize und Vielfalt der Erscheinung, Zeigen und Verbergen ist ihr sinnliches Spiel. Dabei sind die ornamentalen Besätze des Transparenten und Durchbrüche des Opaken nicht nur aus klassischen Spitzenmustern gewonnen, sondern nun auch kantig oder frei, immer jedoch sehr differenziert angelegt im Spiel zwischen Verdichtung und Öffnung, als Relief oder geschichtete bzw. gefaltete Flächen. In der Farbgebung gab es neben Schwarz jetzt viele Beige- beziehungsweise Champagnertöne und Gold in allen möglichen Akzentuierungsvarianten.
Spielerisch neuer Akzent waren Riemen, abgeleitet von schlanken Ledergürteln, drunter und meistens drüber getragen, angelehnt an Fetischelementen, aber doch sehr grazil als überlagerndes Liniengerüst aufgetragen, Verbindungsringen dienten nicht nur den Richtungswechseln, sondern unterstrichen gleichzeitig die angedeutete Symbolik. Vielleicht inspiriert von den Lederriemen und –stützen bei Marina Hoermanseder, hat Irene Luft aus den Lederverschnürungen eine eigene Ästhetik abgeleitet, die mit der Feinheit der Formen, Materialien und Farben ihrer Kleidungsstücke schlüssig und originell korrespondiert. Und dem stets erotischen Klang ihrer Kleidung gibt sie damit noch eine weitere Melodielinie hinzu, die den sexuellen Zeitgeist feinsinnig reflektiert.
Dem eleganten Gout, der allen Schöpfungen Irene Lufts zu eigen ist, tritt ein Aspekt hinzu, der wahren Kunstwerken ebenfalls zugehörig ist: man kann sie lange mit zunehmender Begeisterung betrachten, sie werden dabei immer reicher und sinnlicher.
Für mich ist die Irene-Luft-Schau der optische Champagner jeder Fashionweek in Berlin – ist sie doch auch ein echter und wesentlicher Kontrapunkt zur formalistischen „Berliner Schule“, die eben andere Leitbilder verfolgt, als den menschlichen Körper sinnlich veredeln zu wollen.