ioannes – Better Grow Thorns Than Thicker Skin

ioannes – Better Grow Thorns Than Thicker Skin

Berlin Fashion Week SS2026 – Orangerie im Schloss Charlottenburg

Bilder: Andreas Hofrichter

Text: Gerhard Paproth

 

Nach diversen Schauen in Paris betritt das Label ioannes nun auch die Fashionweek Berlin und bringt den Anspruch von Eleganz und Geschmackssicherheit in die letzte Schau des Berliner Reigens Frühling/Sommer 2026 zurück. Und das mit einiger Verve: „Dornen wachsen besser als dickere Haut“.

Das Konzept der Kollektion des Designers Johannes Boehl konzentriert sich auf das moderne Selbstverständnis der Frau, zwischen den Polen von akzentuierter Weiblichkeit und selbstbestimmter Kraft im Auftritt. Eigentlich führt die Schau die übliche französische Modeposition vor, denn sie vereint diese scheinbare Ambivalenz mit großer Selbstverständlichkeit, während man hier Emanzipation erst einmal diskursiv und theoretisch zu lösen versucht.

Der gestalterische Anspruch bei ioannes ist stets das komplette Erscheinungsbild von Kopf bis Fuß, also von der ausgewählten Sonnenbrille (MYKITA) über den Kleidungsentwurf und den prägnanten Schmuck bis zu stilgerechtem Schuhwerk, das gegebenenfalls auch einen eigenen Gestaltungsmodus erfährt. Alles erscheint sehr „bestimmt“ in der Anmutung, schlüssig und charismatisch. Zartheit wird Stärke und die Stärke erscheint subtil ausgespielt. Lässigkeit entsteht durch Selbstbewußtsein und geschmackliche Souveränität.

Das ist, so ungefähr, der französische Modemodus, den man in Paris auch als real gelebt in der Öffentlichkeit erfährt und mit Hilfe dessen man auch die philosophische Positionierung der Frau, ihr Selbstverständnis als emanzipiert im gesellschaftlichen Kontext, wahrnehmen soll. Dabei werden die gestalterischen Codes stets dem guten Geschmack unterstellt, denn der ist letztlich die eigentliche Kraft für überzeugende Wirksamkeit. Hierzulande ist es oft der ideologische Überbau – Nachhaltigkeit, Auflehnung gegen tradierte Erscheinungsbilder, Generationskonflikte und vieles mehr -, der den modischen Auftritt bestimmt, Geschmack und Eleganz sind eher eventuelle Optionen oder Extras; in Berlin sind sie nicht selten sogar ein No-Go.

Das Spiel des Modedesigns schöpft bei ioannes vielfach aus Kontrasten, die die Anschauung spannend machen, ohne widersprüchlich zu werden. Lockeres, zum Beispiel Bänder an der Tasche, wird mit geometrisch Strengem, zum Beispiel Blazer, verbunden, kraftvolle Schlangenprint-Boots werden zu kurvigem Schlauchkleid gefügt, gefährlich spitze Sandalen zu transparentem Kleid, extra lange Ärmel zu sehr kurzem Kleid, rosa Minikleidchen werden mit schwarzen, blickdichten Strümpfen getragen. Das aber ist kein festes Prinzip, denn Farbspiele, Transparenzen und Materialzusammenstellungen können auch als Nuancierungen den Look bestimmen. Hinzugefügte Elemente sichern stets klare Positionierung, besonders Sonnenbrillen (Distanzierung), kompakte und kräftige Ohrclips, strenge Frisuren, unverspieltes Make-Up. Jede Gestalt bekommt starkes Charisma, egal ob ein romantischer Touch oder schwarze Hochgeschlossenheit Ausgangspunkt des Typus ist.
Und: die moderne Pariser Frau wird ihre Sexyness damit niemals aufgeben sondern unterstreichen.

Mit geschmacklich souveränem Spiel wird so die emanzipierte Frau der Gegenwart definiert, zumindestens in dem Sinne, wie Paris das versteht, und als eleganter Einwurf (sogar als letztes Wort) auf der Berliner Fashionweek kann oder sollte das durchaus zu denken geben.