imm cologne 2012: quo vadis?
Trends und Tendenzen der Möbel- und Einrichtungsmesse
Text: Zora Weber
Bilder: Zora Weber, imm Köln (Logo & Halle)
Eine der weltweit größten Möbel- und Einrichtungsmessen, die imm cologne 2012, ging am 22. Januar zu Ende. Daten und Eindrücke rund um die Messe geben Einblick in das kommende Möbeljahr und regen zum Nachdenken an. Unter dem Motto: Die ganze Welt des Einrichtens fand vom 16.-22. Januar die diesjährige imm cologne statt. Mit einem Plus von 13% bei der Anzahl der Aussteller konnte die Messe im Vergleich zum Vorjahr deutlich zulegen, wobei die Hälfte des Zuwachses durch einen Anstieg der internationalen Aussteller bedingt war. So stellten zum ersten Mal Firmen aus Chile, Lettland, Lichtenstein, Luxemburg, den Philippinen und der Ukraine auf der Möbelmesse aus. Doch auch renommierte Marken, wie B&B Italia oder Poltrona Frau befanden sich unter den Messeneulingen.
In den Hallen 2-11 des Messegeländes wurde präsentiert. Die Angebotspalette war breit und vielfältig. Der Bogen spann sich von Segmenten wie Jungem Wohnen und SB-Möbel, über Matratzen- und Schlafsysteme, Polstermöbel, Stil- und Reproduktionsmöbel, Badezimmer- und Kindermöbel bis hin zu neuen Designentwürfen, internationalen Basics und Möbeldesign mit Premiumanspruch. Darüber hinaus präsentierte das neue Messeformat LivingInteriors erstmals Textilien, Tapeten und Teppiche gemeinsam in einer Halle. Damit wurde der zeitgenössischen Praxis des Einrichtens Rechnung getragen, Stoffe, Tapeten und Bodenbeläge zusammen auszuwählen, um sie aufeinander abstimmen zu können.
Ebenfalls neu war das Projekt: „ Das Haus – Interiors on Stage“, bei dem das Londoner Designer-Duo Nipa Doshi und Jonathan Levien durch Gestaltung verschiedener Wohnbereiche mit neuen Designprodukten ihr Statement zu modernem Wohnen abgab. Das Konzept untersuchte, wie die einzelnen Wohnbereiche genutzt werden können. Die beiden Designer scheuten sich nicht, beim Experimentieren mit den verschiedenen Bereichen, Wohnkonzepte teilweise neu zu definieren. Heraus kam dabei eine eigene Sichtweise zukünftigen Wohnens, die in Halle 3.2 präsentiert wurde. Premiumhersteller und Design im High-End-Bereich fanden bereits zum drittem Mal im Ausstellungsformat des Pure Village zusammen, wo sie an Hand zahlreicher Beispiele Wohnszenarien vorstellten.
Vor Halle 7 startete zur Unterhaltung der Messebesucher das Projekt eines Wohntheaters: Mehrere eingerichtete Räume wurden stündlich zur Plattform für Episoden rund ums Wohnen und Einrichten. Die Besucher konnten den Darbietungen aus nächster Nähe folgen.
Nach Ende der Messe äußerten sich die Veranstalter zufrieden mit der Zahl der Besucher. Insgesamt 115000 Menschen – davon rund 40000 Endverbraucher – waren gekommen, um die neusten Trends und Einrichtungsideen mit eigenen Augen zu sehen.
Soweit die Fakten.
Auf einer Messe von der Größe der imm cologne finden sich natürlich zahlreiche, zum Teil widersprüchliche Eindrücke und Tendenzen. Wenn beispielsweise die etablierten Anbieter wie Interlübke, Ligne Roset, Bauwerk u.a. die Messe in ihren Statements als Erfolg werten, so habe ich durchaus auch Gespräche mit Herstellern aus Asien und Osteuropa geführt, die ihre Enttäuschung äußerten. Lange Gesichter waren hinter den Ständen zu sehen. Vielleicht waren auch die Erwartungen zu hoch, das läßt sich schwer einschätzen.
Auf Herstellerseite gab es einerseits die Gefälligen, damit meine ich jene, die einfach produzieren, wonach der Markt verlangt, um Geld zu verdienen, andererseits die Innovativen, welche neue Wege mit Designkonzepten beschreiten und über das reine Geschäftsinteresse hinaus einen ästhethisch-künstlerischen Anspruch besitzen. Die ersteren sind oftmals austauschbar, die letzteren unersetzbar für das Gesamtniveau der Messe, bei der sich trotz berechtigten Interessen doch nicht alles nur um Marktpositionierungen drehen sollte.
Besonders gut hat mir der Bereich D3 – Design Talents gefallen. Neben Objekten von Nachwuchsdesignern fanden sich dort ebenso Einrichtungsstücke von professionellen Designern, die noch einen Produzenten suchen. Neue Ideen und inspirierende Gespräche ließen sich dort aufschnappen bzw. führen.
Mit zunehmendem Messeverlauf fiel auf, wie ungleich das Interesse der Besucher verteilt war, besonders auffallend an den Publikumstagen. Während im Pure Village, aber auch in den Hallen mit Anbietern im High-end-Bereich reger Andrang herrschte, machte sich in den Bereichen des Low-end-Segmentes sowie bei den Anbietern aus Fernost und Osteuropa gähnende Leere breit. Diese Beobachtung unterstreicht im Grunde den Trend der Käufer in Deutschland. So wie es 2011 bereits zu sehen war, geben die Deutschen auf der einen Seite mehr Geld für Möbel aus und legen dabei gleichzeitig aber verstärkt Wert auf Qualität, sowohl das Design als auch das Material und die Verarbeitung betreffend.
Immer wieder gaben Stände auch Anlaß zur Fassungslosigkeit: kann eine Sofagruppe, die massiv um einen Flachbildschirm plaziert ist, tatsächlich noch die Lebensausgestaltung im 21. Jahrhundert repräsentieren? Wollen wir unser Familienleben (eine Singlewohnung würde wohl kaum Platz für überdimensionierte Polsterlandschaften bieten) in einem Wohnzimmer auf diese Art und Weise führen? Wie wollen wir überhaupt in unseren heimischen vier Wänden leben? Was hat dies mit unserer Persönlichkeit und unseren Wertvorstellungen sowie unserer sonstigen Lebensgestaltung zu tun? Finden sich Gemeinsamkeiten? Sollte eine Messe wie die imm cologne nicht Raum geben, um Fragen wie diese aufzuwerfen und mittels neuer Ideen zu beantworten? Zumal solche Fragestellungen zentrale Punkte des Interior Designs berühren. Zugegeben, um sich mit Wohnkonzepten auseinander zu setzen, wurde u.a. das Projekt „Das Haus – Interiors on Stage“ initiert. Doch reichte dies meiner Meinung nicht aus, um so tiefgreifend gesellschaftliche Fragen ausreichend zu berühren.
Klar im Trend liegen Möbel aus wiederverwerteten Baubohlen, also Hölzern, die ursprünglich im Gerüstbau benutzt wurden. Auch alte Schiffsbohlen finden wieder Verwendung. Im Zuge der Diskussion um Resourcen, Klimawandel und Verkleinerung des ökologischen Fußabdruckes, zeigen sich, wie es scheint, auch Veränderungen auf dem schnelllebigen Möbelmarkt. Kombiniert mit Materialien wie Glas oder Leder erstehen diese Hölzer zu neuem Leben mit einem gewissen Touch an Vintage-Flair, welches seit einigen Jahren ohnehin mehr und mehr en vogue ist. Da Möbel bei der Herstellung zahlreiche Produktionsschritte durchlaufen und mehrere Materialien Verwendung finden, ist es grundsätzlich schwierig bis problematisch eine exakte Aussage über deren Nachhaltigkeit zu machen. Dennoch kann bei dem neuen Trend, vermehrt Bohlenhölzer zu verwenden, von einer Einsparung an Holz ausgegangen werden.
Im Gegensatz zu Entwicklungen wie dieser, ist eine Tendenz zunehmend bemerkbar, die mehr als nachdenklich stimmt. Nach all den vibrierenden Massageliegen, Spannung lösenden Entspannungsesseln oder Wohlbefinden auslösenden Heizmatratzen nimmt es Wunder, wie wir Menschen solange ohne diese Utensilien überleben konnten. Trotz allem Sarkasmus: sollte nicht eher die Frage im Vordergrund stehen, was mit dem eigenen Leben nicht stimmt, wenn ein Streßniveau entsteht, das Gerätschaften wie die eben beschriebenen benötigt? Wieder kann ich nur fragen: wie wollen wir in Zukunft leben? Können wir uns einen Verbrauch von Energie für solche Spielereien leisten?
Desweiteren hatte eine Firma namens ConLife eine Anlage beworben, welche – einmal in der Wohnung installiert – über Funksignale signalisiert, wenn ein Gerät noch angeschaltet ist oder ein Fenster noch offen steht o.ä.. Von denkbar vernünftigen Situationen abgesehen (z.B. wenn ein alter Mensch, der alleine lebt, nicht mehr in der Lage ist ohne solche Erinnerungshilfen auszukommen), führt diese angedachte Technisierung unserer Lebenswelt nicht zu einer zunehmenden Entmündigung? Wollen wir uns wirklich in Zukunft durch einen Piepston die Verantwortung für unseren Haushalt abnehmen lassen? Wohl kaum.
Doch zurück zu den Trends. Bei der Grundrißgestaltung ist das Verschmelzen von Räumen zu größeren Einheiten auffallend. Offenes Wohnen ist und bleibt also angesagt. Nach dem Fusionieren der Küche samt Eßzimmer mit dem Wohnraum, finden sich nun Bäder in Schlafzimmern wieder. Die Duschen, durch Glaswände umgeben, ermöglichen eine optische Erweiterung der Räume, die Wannen sind zumeist freistehend und über Podest und Bodenbelag ins Gesamtarrangement einbezogen.
Materialmix ist nicht nur bei Bohlenholz gefragt. Auch bei Massivholzmöbeln wurden Kombinationen mit Leder, Stoffen, Glas, Fell und Plexiglas vorgestellt. Ohnehin erfreuen sich Einrichtungsgegenstände aus Massivholz zunehmender Beliebtheit, ebenso Naturmaterialien wie Leder oder Wolle. Neben ausladenden Sofalandschaften gab es überrascht viele grazile und kleine Möbelstücke. Auch Wohnwände werden kleiner und kompakter. Die Formgebung ist überwiegend einfach und schlicht.
Und noch ein Phänomen, das dem Leben in Großstädten und den Single-Wohnungen geschuldet ist: Multifunktionalität von Möbeln nimmt als Designmerkmal deutlich zu.
Auf den vermieteten 240000 qm der Messe Köln entfaltete sich während der Möbelwoche die ganze Vielfalt der 1157 Anbieter aus 54 Ländern. Allerdings fehlte auffallenderweise eine sehr renommierte Marke: Vitra war nicht nach Köln gekommen.
Zum Schluß noch ein wichtiger Termin für all jene, die schon ihren nächsten Messebesuch in Köln planen wollen: die imm cologne 2013 wird vom 14.- 20. Januar stattfinden.